piwik no script img

Archiv-Artikel

DAIMLERCHRYSLER: DER STELLENABBAU WIRD MUNTER WEITERGEHEN Arbeitnehmer sind erpressbar

Widersprüchliche Nachrichten: Bei DaimlerChrysler sollen 3.200 Stellen in der Verwaltung entfallen. Das ist zwar seit Januar bekannt, wird aber jetzt konkret. Gleichzeitig mehren sich die Statistiken, dass erstmals seit Jahren in Deutschland wieder neue Jobs entstehen. Doch so weit liegen die beiden Trends gar nicht auseinander. Denn näher betrachtet zeigt sich, dass vor allem Zeitarbeitsfirmen vermehrt Stellen schaffen. Offensichtlich glauben viele Firmen nicht, dass der derzeitige Aufschwung so stabil sein könnte, dass sich eine Festanstellung lohnt.

Auch die Bevölkerung traut dem neuen Trend noch nicht. Die frischen Jobs entstehen weitgehend unbemerkt, werden öffentlich nicht diskutiert. Umso aufgeregter wird aber jeder Stellenabbau begleitet: Ob Allianz, Dresdner Bank oder eben DaimlerChrysler – die Mittelschicht ist erschüttert, dass ausgerechnet jene Posten gestrichen werden, die früher einen privatwirtschaftlichen Beamtenstatus versprachen. Zyniker schlagen schon vor, dass es doch am billigsten wäre, auch das Management nach Osteuropa zu verlagern. Das ist nur zum Teil als Witz gemeint. Tatsächlich bringt es die Machtverhältnisse auf den Punkt: Selbst Manager sind nur Angestellte, sind austauschbar. Sicher kann sich nur fühlen, wer Kapital besitzt, wer nicht Mitarbeiter ist, sondern über sie verfügen darf.

Diese Machtverschiebung ist so fundamental, dass ein paar neue Stellen nicht trösten können. Der langfristige Trend in Deutschland ist eindeutig: Die sozialversicherungspflichtigen Jobs gehen zurück. Die Rationalisierungsmöglichkeiten sind noch längst nicht ausgeschöpft, wie gerade auch der Stellenabbau bei DaimlerChrysler zeigt. Denn die Idee ist keineswegs revolutionär, die Daimler-Chef Zetsche nun umsetzt. Im Gegenteil. Es ist erschütternd nahe liegend, dass nicht jeder Firmenstandort sein eigenes Controlling braucht. Schätzungen gehen davon aus, dass wir 12 Millionen Arbeitslose hätten, wenn in Deutschland jede Möglichkeit der Rationalisierung genutzt würde. Die Arbeitnehmer sind erpressbar – und das wissen sie. ULRIKE HERRMANN