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Archiv-Artikel

Zu Gast bei Freunden?

Die Soldaten aus Deutschland genießen in Kongos Hauptstadt Kinshasa noch einen kleinen Vertrauensvorschuss. Noch!

„Die Stimmung gegenüber der UNO ist schlechter, als wir erwartet haben“

VON DOMINIC JOHNSON

Die Verlegung des deutschen Hauptkontingents für die EU-Eingreiftruppe in der Demokratischen Republik Kongo hat begonnen. 60 Soldaten, darunter Sanitäter und Angehörige des Führungsstabes, bestiegen gestern in Köln ein Flugzeug nach Gabun; ein weiteres Flugzeug startete in Richtung der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa. Insgesamt reisen bis zum kommenden Wochenende rund 580 Soldaten aus Deutschland nach Afrika. Zusammen mit den rund 200 Mann des bereits entsandten Vorauskommandos werden sie den deutschen Beitrag für die insgesamt etwa 2.000 Mann starke europäische Eingreiftruppe Eufor bilden.

Mindestens 500 der 780 Deutschen bleiben in Gabuns Hauptstadt Libreville. Nur der kleinere Teil geht nach Kinshasa, wo das Kommando der EU-Truppe beim französischen General Christian Damay liegt. Die Gesamtleitung der Operation liegt im Einsatzführungskommando der Bundeswehr in Geltow bei Potsdam beim deutschen Generalleutnant Karlheinz Viereck.

Die volle Einsatzbereitschaft der Truppe ist für den 18. oder 20. Juli zu erwarten, bevor am 30. Juli – dem Tag der historischen und umstrittenen freien Wahlen im Kongo – die Mission offiziell beginnt. „Bis zum 30. Juli muss alles geregelt sein“, erklärt ein Sprecher des Bundesverteidigungsministeriums. „Sie müssen das Gesamtkontingent vor Ort haben, die Soldaten müssen eingerichtet und akklimatisiert sein und ihre Einsatzaufträge kennen.“

Das Zusammenwirken der militärischen Strukturen vieler europäischer Länder gilt als eigentlicher Reiz der Kongo-Mission und geht, wie informell zu hören ist, nicht immer reibungslos vonstatten. In Deutschland drückt der öffentlich geäußerte Vorwurf, die Bundeswehrsoldaten seien anders als ihre französischen Kameraden nicht mit kurzen Hosen und Sonnenbrillen ausgestattet, auf unpolitische Weise ein diffuses Gefühl aus, Deutschland sei im Kongo trotz seiner formellen Führungsrolle eher der unbeholfene kleine Bruder Frankreichs. Dessen Soldaten haben mehr Erfahrung mit Afrika-Einsätzen, sprechen die Amtssprache des Kongo und kommen anders als ihre deutschen Kameraden auch über Kinshasa hinaus zum Einsatz. Frankreich gilt allerdings auch als Verbündeter von Kongos Präsident Joseph Kabila.

Die Sorge, Kabila werde einen massiven Wahlbetrug zu seinen eigenen Gunsten organisieren, greift im Kongo um sich. Letzte Woche forderten 19 der 33 Präsidentschaftskandidaten einen Stopp des Wahlkampfs, nachdem bekannt geworden war, dass die Wahlkommission fünf Millionen Wahlzettel mehr gedruckt hat, als es registrierte Wähler im Kongo gibt – rund 30 Millionen statt 25 Millionen. Sie verlangten die öffentliche Vernichtung der überzähligen Stimmzettel. Die unabhängige Wahlkommission lehnte ab, unterstützt von der internationalen Gemeinschaft.

Solche Kontroversen färben auch auf das Image der deutschen Truppen ab. „Die Stimmung zu Eufor ist zweigeteilt“, berichtet ein Mitglied des Vorauskommandos aus Kinshasa. „Wir werden extrem freundlich und hilfsbereit empfangen, aber nach einer Weile kann es schon zu Fragen kommen: Was macht ihr hier eigentlich, und unterstützt ihr nicht Kabila?“

Diesen Vorwurf kontern die Europäer mit dem Argument, man ergreife im Kongo nicht Partei, sondern unterstütze die UN-Truppe im Kongo (Monuc). Doch „die Stimmung gegenüber der UNO ist schlechter, als wir erwartet haben“, gesteht ein Eufor-Sprecher im Potsdamer Hauptquartier. Ein Werbespot der Eufor für den kongolesischen Rundfunk musste zurückgezogen werden, nachdem der Verweis auf die Rolle als Unterstützer der UN-Blauhelme „aggressive“ Reaktionen hervorgerufen hatte.

Wie heikel das Terrain ist, zeigt die Ermordung eines der bekanntesten Journalisten des Kongo. Bapuwa Muamba, langjähriger Exilant in Paris und Enthüller von Korruptionsaffären, war erst kürzlich nach Kinshasa zurückgekehrt und wurde in der Nacht zum Samstag in seinem Haus von Unbekannten erschossen. Vorige Woche hatte er in der Oppositionszeitung Le Phare eine vernichtende Bilanz des kongolesischen Friedensprozesses veröffentlicht, in der er vor dem Risiko einer Nichtanerkennung der Wahlen durch die Bevölkerung warnte.

Die Mörder erschossen Muamba in seinem Schlafzimmer, nachdem er ihnen vergeblich Geld angeboten hatte, berichtet Floribert Chebeya, Leiter der Menschenrechtsorganisation Stimme der Stimmlosen (VSV), unter Berufung auf Nachbarn des Ermordeten. Er stellt den Vorfall in eine Reihe politischer Gewalttaten der letzten Monate. „Es ist ein Akt des Terrors“, so Chebeya. „Jeder, der Joseph Kabila zu kritisieren wagt, riskiert das gleiche Schicksal.“

Können europäische Soldaten in Kinshasa solche Vorfälle verhindern? „Das ist nicht unsere Aufgabe“, weist der Eufor-Sprecher in Potsdam diese Forderung zurück. „Unsere Aufgabe im Kongo ist es, die Wahlen abzusichern, und nicht, die Presse- und Meinungsfreiheit zu garantieren“.