China-Profiteure: Jeder will der Größte sein

Hamburg hält sich für „Europas führenden China-Standort“. Die Stadt verweist auf die große Zahl ansässiger Unternehmen und die Bedeutung des Hafens. Doch schon in NRW zweifelt man an Hamburgs Sonderstellung

„Hamburg ist Europas China-Zentrum“, sagt die Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF). – Eine starke Behauptung, mit der der Senat hausieren geht, die in anderen Teilen der Republik aber nicht so ohne weiteres akzeptiert wird. „Es stimmt sicher, dass viele chinesische Handelsunternehmen irgendwie geartete Repräsentanzen in Hamburg haben“, sagt Tim Glaser von der Deutsch-Chinesischen Wirtschaftsvereinigung (DCW) in Köln. „Dass dadurch Hamburg zum Chinazentrum Europas wird, wage ich zu bezweifeln.“ Die DCW arbeitet bundesweit – Hamburg wird von Hannover aus abgedeckt.

Die Hamburger Wirtschaftsförderer argumentieren mit der großen Zahl ansässiger chinesischer Unternehmen. Mehr als 400 seien in der Stadt aktiv. Allein im vergangenen Jahr seien 42 hinzugekommen. China sei der wichtigste Handelspartner des Hamburger Hafen, wo mehr Güter aus dem China-Handel abgefertigt würden als in Rotterdam, dem größten europäischen Containerhafen.

Hamburg habe zwar eine günstige geografische Lage für die Ein- und Ausfuhr von Waren im China-Handel, sagt Glaser von der DCW. „Für den Vertrieb chinesischer Produkte in Europa ist Hamburg aber nicht gerade das Zentrum.“ Wer die Nummer Eins ist, sei schwer zu sagen, weil die Datenbasis unsicher sei. Wann gelte ein Unternehmen als chinesisch? Würden China-Restaurants mitgezählt?

„Was wir von den Unternehmen hören, die zu uns kommen, ist, dass Nordrhein-Westfalen ein Standort ist, der sich eignet für den Aufbau einer Repräsentanz“, sagt Glaser. Berlin sei ihm nicht als großer Standort bekannt. Eher schon Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main und München. Köln zählt zurzeit 87 chinesische Unternehmen. Seit April 2005 sollen 33 hinzu gekommen sein.

Im Gegensatz zum DCW geht der bundesweit agierende Ostasiatische Verein (OAV) mit Sitz in Hamburg von einer „quantitativen und qualitativen Spitzenstellung Hamburgs“ aus, wie OAV-Geschäftsführerin Monika Stärk sagt. Mit den Reedereien Cosco und China-Shipping seien unternehmerische Schwergewichte aus China an der Elbe vertreten. „Ein ganz wichtiger Aspekt ist das Know-how im Umgang mit China“, meint Stärk. Hamburg pflege seine Verbindungen „nicht erst seit China Mode ist“ und verfüge deshalb über ein besonderes Standing, auch wenn sich dieses nicht in allen Facetten in Zahlen wiedergeben lasse. Gernot Knödler