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Archiv-Artikel

Repair Café

Für eine Kultur des Wertschätzens und Reparierens – in Kreuzberg, Spandau und in Prenzlauer Berg wird gemeinschaftlich gegen die Wegwerfgesellschaft angebastelt

Berlin repariert

■  Repair Café Spandau

Jeden letzten Montag im Monat, von 17.30 bis 20 Uhr, Paul-Schneider-Haus, Schönwalder Straße 23, um Anmeldung wird gebeten:

klimawerkstatt-spandau.de

■  Repair Café Kreuzberg

An jedem 1. Montag im Monat, von 16 bis 20 Uhr, in der Alexandrinenstraße 4, im Hinterhaus,Teilnahme nur nach Voranmeldung: repaircafe@kunst-stoffe-berlin.de, weitere Informationen im Netz:

kunst-stoffe-berlin.de

■  Repair Café Prenzlauer Berg

Jeden ersten Sonntag im Monat, 14 bis 18 Uhr, in der Ökowerkstatt im Nachbarschaftshaus am Teutoburger Platz, Fehrbelliner Str. 92

■  Repair Cafés weltweit

repaircafe.org

bewegung.taz.de

Das Repair Café ist ein Kind der Postwachstumsbewegung. Die Idee dafür reklamiert die Niederländerin Martine Postma. Im Jahr 2009 startete sie das erste Kaffeekränzchen mit Lötkolben und Säge. Inzwischen ist die Idee um die Welt gewandert. Auf der Webseite von Martine Postma sind rund 120 Repair Cafés aufgelistet.

Bei den Cafés handelt es sich um regelmäßige Treffen, bei denen die Teilnehmer gemeinsam Dinge reparieren. Vor Ort ist Werkzeug und Material für alle möglichen Reparaturen, für Kleidung, Möbel, elektrische Geräte, Fahrräder und Spielzeuge. Oft sind auch fachkundige Reparateure anwesend: Elektriker, Schneider, Tischler oder Fahrradmechaniker, die ehrenamtlich mithelfen und ihr Wissen teilen.

Selber reparieren ist aus der Mode gekommen. Die älteren Generationen werden noch einen Stopfpilz in der Hand gehabt haben. Die Socke hat ein Loch? Kein Problem: Abends beim Fernsehen oder Radiohören wird schnell aus einer kaputten eine heile Socke. Heute wissen viele nicht einmal mehr, wie man Dinge repariert. Der Toaster, der eigentlich nur einen Wackelkontakt hat, wandert auf den Müll. Viele Produkte sind einfach so billig geworden, dass es vermeintlich leichter ist, sie neu zu kaufen.

Die moderne Wegwerfgesellschaft – ihr soll mit dem Repair Café etwas entgegengesetzt werden. Es geht um Wertschätzung und Nachhaltigkeit. Für den Toaster für 30 Euro haben Menschen in der dritten Welt im Bergwerk geschuftet oder in China am Fließband gelötet. Der Kauf neuer Produkte belastet Mensch und Umwelt und lässt die Müllberge wachsen. Die Repair Cafés basteln gegen die Wegwerfgesellschaft an. Neben dem praktischen Nutzen soll so eine Mentalitätsveränderung in der Gesellschaft erreicht werden.

Seit Mai 2013 gibt es ein Repair Café in Berlin-Spandau. Die Idee dazu hatte Corinna Vosse, Geschäftsführerin der Klimawerkstatt Spandau. „Wir wollten von der Klimawerkstatt aus ein Programm mit und für die Bürger in Spandau organisieren“, erzählt Vosse. Als Partner fand sich die Evangelische Luthergemeinde, in deren Soziokulturellem Zentrum nun einmal im Monat das Repair Café stattfindet. Für den Start hatte Corinna Vosse zuerst ihren Bekanntenkreis motiviert, aber schnell überstieg die Nachfrage das Angebot. „Inzwischen müssen wir Besucher, die erst später am Abend kommen, leider auf den kommenden Monat vertrösten“, sagt Vosse. Im Schnitt 25 Spandauer schauen jedes mal im Repair Café vorbei. Sie bringen kaputte Kleider, Elektrogeräte oder Möbel mit.

Repariert wird hier fast alles. Lediglich Geräte, die irgendwie mit Software funktionieren, nicht. Bei Computern und Smartphones ist das Fachwissen der Reparateure erschöpft. Fünf bis sieben fachkundige Menschen helfen in Spandau beim Reparieren. Alle arbeiten ehrenamtlich. Die Reparatur ist kostenlos. Wer mag, kann aber eine kleine Spende hinterlassen. Nur die Ersatzteile müssen von den Besuchern bezahlt werden. „Aber“, betont Corinna Vosse: „Aktives Mitbasteln ist Voraussetzung. Wir sind kein kostenloser Reparaturservice, sondern wollen die Kultur des Reparierens stärken“.

Auch im Internet ist der Trend angekommen. Auf der eigentlich englischsprachigen Webseite Ifixit.com (ich reparier das) gibt es nun auch Reperaturanleitungen in Deutsch. Schwerpunkt sind digitale Geräte, Smartphones, Laptops und Digicams. Allein für iPads finden sich hier 196 Videos, die einem Mut machen sollen, das digitale Spielzeug in seine Einzelteile zu zerlegen. Im Hightech-Segment stellt sich aber durchaus die Frage, ob: „Ich fix das mal eben“ im Endergebnis nicht doch zu einem Neukauf führt. Wehe, wenn nach dem Wieder-zusammen-Puzzeln noch ein, zwei Mikroteilchen übrig bleiben. JÖRN ALEXANDER