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Archiv-Artikel

Frauenhäuser sind so voll wie nie

In den sechs Frauenhäusern der Stadt werden die Plätze knapp. Immer mehr junge Frauen unter 25 landen dort, weil die Behörden bei der Jugendhilfe sparen. Die Häuser behelfen sich mit Notbetten

VON WALTRAUD SCHWAB

Die Berliner Frauenhäuser sind voll. So voll wie lange nicht. Man habe sich schon auf das Motto „Das wird ein heißer Sommer“ geeinigt, meint eine Mitarbeiterin der BIG-Hotline. Die Hotline ist die zentrale Anlaufstelle für Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind. Von dort wird die Belegung der sechs Frauenhäuser mit 292 Plätzen organisiert.

Schon im Jahresdurchschnitt liegen die Auslastungen bei einigen Frauenhäusern um 95 Prozent. Konkret bedeutet das, ein Haus mit 20 Betten hat im Durchschnitt eins frei. Flüchtet eine Misshandelte mit ihren Kindern ins Frauenhaus, ist die Unterbringung nur mit Notbehelfen möglich, erklärt Karin Wieners, Öffentlichkeitsreferentin im „Vierten Frauenhaus“. Sind sie so belegt wie seit ein paar Wochen, wird es richtig schwierig.

Das „Zweite Frauenhaus“ ist ebenfalls besonders von der hohen Nachfrage betroffen. Vor einem Jahr hat der Senat dieser Einrichtung die Finanzierung von neun Plätzen gestrichen, die sie als Notbetten jedoch noch umsonst vorhalten sollen. Werden sie gebraucht, erlebt das Frauenhaus indirekt eine erneute Kürzung der Zuwendungen, denn die Betreuung der Frauen auf den Notplätzen muss nun kostenlos erbracht werden.

Den steigenden Platzbedarf bringen die Mitarbeiterinnen mit der Enttabuisierung des Themas häusliche Gewalt in Zusammenhang. „Unsere Öffentlichkeitsarbeit zeigt Erfolge. Betroffene Frauen wissen, dass es unsere Kriseneinrichtungen gibt. Sie wissen, jemand ist da, der sich zuständig fühlt“, meint Christina Fischer vom „Zweiten Frauenhaus“. Zudem dränge sich der Eindruck auf, dass Frauen Gewaltbeziehungen nicht mehr so lange aushalten wie früher, so Irma Leisler von der BIG-Hotline.

Auffallend allerdings ist, dass vermehrt junge Frauen unter 25 Jahren in die Frauenhäuser kämen. „Für uns bedeutet das, dass wir das Beratungsangebot neu ausrichten müssen“, meint Fischer. Sie sind noch in der Schul- und Berufsfindungsphase. Oft seien sie auch verschuldet.

Karin Wieners vom „Vierten Frauenhaus“ verweist zudem darauf, dass die Zahl der Frauen, die von den Jugendämtern in die Frauenhäuser vermittelt werden, steigt. Das mag einerseits ein Indiz für die Akzeptanz der Einrichtungen sein. Andererseits ist es auch ein Hinweis darauf, dass die Kürzungen im Jugendbereich mittlerweile zu Lasten der Jugendlichen gehen. Viele der jungen Frauen bis 25 Jahren hätten eigentlich Anspruch auf Leistungen nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. „Deren Einrichtungen sind viel besser auf die Bedürfnisse der Jugendlichen ausgerichtet.“ Weil die Kommunen aber kein Geld haben, wird das Problem verlagert und landet nun teilweise in den Frauenhäusern.

Die Hartz-IV-Gesetze treiben Frauen durch die Bedarfsgemeinschaftsregelung ebenfalls in neue Abhängigkeitsspiralen, meint Wieners. „Das ist eine fatale Entwicklung, die die Eigenständigkeit von Frauen zunichte macht, für die wir jahrelang kämpften.“

BIG-Hotline: (0 30) 6 11 03 00