: „Systematische Folter in syrischen Gefängnissen“
HAFT Wolfgang Büttner von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Berlin über die Foltermordvorwürfe gegen das Assad-Regime
■ Jahrgang 1976, arbeitet seit 2005 für Human Rights Watch Deutschland. Seit 2012 ist er Sprecher der Organisation. Büttner hat Wirtschaft, Geschichte und Politik studiert.
taz: Herr Büttner, eine Gruppe internationaler Experten hat einen Bericht vorgelegt, aus dem, basierend auf Fotos, hervorgeht, dass bis zu 11.000 Menschen in syrischen Gefängnissen getötet wurden. Halten Sie diese Zahl für glaubwürdig?
Wolfgang Büttner: Wir können die Zahl 11.000 noch nicht bestätigen, weil wir bisher noch nicht feststellen konnten, ob die Bilder authentisch sind. Was wir allerdings immer wieder dokumentiert haben, ist systematische Folter in Gefängnissen des syrischen Geheimdienstes. Wir waren auch in Gefängnissen des syrischen Geheimdienstes im Norden Syriens und haben dort selbst Folterinstrumente gesehen. Grundsätzlich gibt es in Syrien systematische Folter.
Wie erklären Sie sich, dass die Frage der Gefangenen weniger thematisiert wird als beispielsweise die Lage der Flüchtlinge oder der Kinder?
Die Situation der Flüchtlinge und die der Kinder ist katastrophal. Das sind natürlich Bereiche, über die sehr viel berichtet werden muss. Was die politischen Gefangenen betrifft, besteht das Problem, dass es oft keinen Zugang zu den Gefängnissen gibt und es deshalb auch schwieriger ist, mit den Personen zu sprechen, die Opfer von Folter geworden sind . Wir denken allerdings, dass jetzt die Möglichkeit besteht, das Thema an die internationale Öffentlichkeit zu bringen und dass das Thema nach der Veröffentlichung auch bei den Gesprächen in Montreux und Genf aufgegriffen werden muss.
Reicht es denn, darüber zu berichten? Müssten sich aus einem solchen Bericht nicht auch andere Konsequenzen ergeben?
Doch, auf jeden Fall. Jetzt ist eben auch die Zeit, dass die politischen Entscheidungsträger entsprechende Forderungen an die syrische Regierung stellen. Bei den Gesprächen in der Schweiz muss festgehalten werden, dass internationale Beobachter Zugang zu den Gefängnissen, in denen Folter stattfindet, bekommen. Gleichzeitig muss festgehalten werden, dass diejenigen, die für die Folterungen verantwortlich sind, langfristig zur Rechenschaft gezogen werden.
Wie könnte das geschehen?
Es ist wichtig, dass das Thema erst mal im Bewusstsein der an den Gesprächen beteiligten Parteien ist und entsprechend Druck ausgeübt wird, damit das passiert. Da spielt vor allem auch Russland eine zentrale Rolle, denn ohne die Unterstützung Russlands wird es nicht zu solchen Entscheidungen kommen.
INTERVIEW: BEATE SEEL