JÜRGEN GOTTSCHLICH ÜBER DIE ERNEUTE ESKALATION IM KURDENKONFLIKT
: Türkei und PKK im Teufelskreis

Nach einer langen Phase relativer Ruhe wird in den kurdischen Regionen der Türkei nun wieder geschossen und gestorben, in den letzten drei Monaten wurden fast vierzig Soldaten und eine unbekannte Anzahl PKK-Guerilleros getötet. Mit jedem neuen Toten aber weitet sich die Kluft zwischen Türken und Kurden.

Dabei sah es noch vor einem Jahr ganz hoffnungsvoll aus. Die AKP-Regierung startete eine „demokratische Offensive“ zur Lösung des jahrzehntelangen Kurdenkonflikts und bot dem größten Teil der militanten PKKler in verklausulierter Form an, ohne strafrechtliche Verfolgung aus den Bergen zurückzukehren. Ministerpräsident Erdogan hoffte, mit einer Teilamnestie und kulturellen Zugeständnissen – etwa einen Fernsehsender in kurdischer Sprache – die Mehrheit der kurdischen Bevölkerung von den Hardlinern abspalten zu können. Doch die PKK-Führung machte ihm einen dicken Strich durch diese Rechnung. Der inhaftierte Guerillachef Abdullah Öcalan will keine politische Lösung hinnehmen, bei der er außen vor bleibt. Erdogan ist aber weit davon entfernt, sich mit dem „Terroristenchef“ an einen Tisch zu setzen. Denn selbst wenn er es wollte, politisch würde er das nicht überleben.

Das weiß auch die PKK. Deshalb ist der Vorschlag des PKK-Interimschefs Murat Karayilan, im Gegenzug zu Verhandlungen die Waffen niederzulegen, nicht mehr als eine propagandistische Finte. Stattdessen wird nun eine neue blutige Runde eingeläutet, die das Land wiederum näher an einen verheerenden Bürgerkrieg bringt.

Dazu gibt es nur eine Alternative: Erdogan macht einen großen Schritt und redet ernsthaft mit den gewählten Vertretern der Kurden. Doch ein Jahr vor den Parlamentswahlen ist damit nicht mehr zu rechnen.

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