: Jukebox
Weich am Strand mit Soft Machine
Ihr Stammbaum ist ein irres Geflecht, wie bei magischen Pilzen ziehen sich Wurzelstränge durch die Jahrzehnte. Rhizome, organlose Körper, sanfte Maschinen – Soft Machine. Von 1966 bis 1984 gab es 18 Umbesetzungen, die treue Fans im Internet aufgelistet haben. Offenbar ist die im August 1966 von Robert Wyatt, Mike Ratledge, Kevin Ayers und Daevid Allen gegründete Band noch immer eine Lebensaufgabe. Auch wenn von der ursprünglichen Formation morgen beim Auftritt auf dem Zappanale-Festival in Bad Doberan und am 19. Juli dann im Quasimodo nur Spurenelemente erhalten sind. Heute nennen sich die Überbleibsel „Soft Machine Legacy“ und meinen damit nicht die minimalistischen Orgel-Mantras, nicht die freakbeatigen Schlagzeug-Wirbel und auch nicht die Textanleihen bei William S. Burroughs, auf dessen Roman von 1961 der Bandname zurückgeht. Sondern gut ausgebildeten Jazzrockbudenzauber von grauhaarigen Herren in Sessionlaune.
Was aber wäre die wahre Erbschaft dieser Zeit? Als Soft Machine 1966 erstmals live spielten, fand das Konzert auf einem „All Night Rave“ statt, mit dem die Underground-Zeitung International Times lanciert werden sollte. Im Jahr darauf traten sie bei einer „8 Hour Psycho-Chromatic Fantasy“ auf und verbrachten den Sommer in den Clubs an der Côte d’Azur. Es muss ein prima Leben gewesen sein – als Lumpenboheme schlief man am Strand, die Live-Shows waren beschwingte Orgien im Rausch der Nacht. Kevin Ayers war von dieser Art Drop-Out-Existenz so begeistert, dass er die Band schon nach dem grandiosen, als helles Licht aus poetischer Introvertiertheit und exzessiver Free-Daddelei strahlendem Debütalbum verließ und gen Ibiza zog.
Zurück in England bemühte sich der Rest darum, Pop und linken Dandyismus unter einen Hut zu bringen. Noch war Psychedelia keine neue Duftmarke aus der Carnaby Street, sondern tief empfundenes Gegenkulturtum. Robert Wyatt wirkte dabei wie ein fein vergrübelter kleiner Bruder der allmählich in Teelichter-Romantik und Studio-Bombast abgleitenden Pink Floyd. Als seine Mit-Soft-Machine-Musiker sich immer weiter aus dem Improvisationsfenster lehnten, verließ auch Wyatt die Band, um sich sein politisch sperriges Songwriting zu bewahren. Dass er am 1. Juni 1973 betrunken auf einer Party aus dem Fenster stürzte und seither im Rollstuhl sitzt, hat die britische Popmusik in den Siebzigerjahren vor der Revolution bewahrt. Bis Punk kam. HARALD FRICKE