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Archiv-Artikel

Grüne wollen auch mal sitzen

Welche Grünen zieht es bei einer Regierungsbeteiligung in Senatorensessel? Manche Interessenten haben es auf erreichbare Posten abgesehen, anderen stehen profilierte SPD-Amtsinhaber im Weg

VON MATTHIAS LOHRE

Wer sich noch immer fragt, ob die Grünen eine normale Partei sind, der muss ihren führenden Vertretern nur eine Frage stellen: Wer bekommt im Falle Ihrer Regierungsbeteiligung welchen Posten? Dann bekommt man nämlich die Standardantwort: Das ist jetzt doch völlig nebensächlich, es kommt auf die Inhalte an, über Posten reden wir nach der Wahl. Nur: So ist es nicht.

Zwar können die Grünen sich nicht sicher sein, nach dem 17. September gemeinsam mit der SPD zu regieren. Doch die Zeichen stehen nicht schlecht. In Umfragen liegen Grüne und PDS seit Monaten Kopf an Kopf. Gleichzeitig kokettiert der Regierende Bürgermeister mit seiner Sympathie für die Partei, mit der er bereits 2001 einige Monate lang eine Minderheitskoalition bildete. Die Grünen gerieren sich als dynamische Alternative zur verschlafenen PDS – und hoffen damit auf Erfolg bei Wählern, denen Rot-Rot nach fünf Jahren im Amt zu behäbig wirkt.

Wer kann die Grünen im Senat vertreten? Bislang ist die Liste aussichtsreicher Bewerber überschaubar. An deren Spitze steht Franziska Eichstädt-Bohlig. Die heute 64-Jährige hat in elf Jahren als Bundestagsabgeordnete vor allem als Städtebaupolitikerin von sich reden gemacht. Der Job der Stadtentwicklungssenatorin wäre da wie für sie gemacht. Nur hat den Posten die angesehene SPD-Frau Ingeborg Junge-Reyer inne. Den wird sie voraussichtlich behalten können.

Ähnliche Probleme haben auch die Nummern zwei bis vier der Liste: die Fraktionsvorsitzenden Sibyll Klotz und Volker Ratzmann sowie deren ehemaliger Kollege Wolfgang Wieland. Seit einem Dreivierteljahr sitzt Wieland im Bundestag, doch dort ist der Rechtspolitiker bislang nicht aufgefallen. Dem 58-Jährigen sagen Parteifreunde ein Interesse am Justizsenatorposten nach. Den hatte er bereits für einige Monate im rot-grünen Übergangssenat 2001 inne. „Eine Rückkehr kann ich mir sehr gut vorstellen“, sagt Wieland. Und fügt pflichtschuldig hinzu: „Aber ich kann auch sehr gut im Bundestag bleiben.“

Wielands und Ratzmanns Problem: Auch den beiden Juristen mit Interesse am Justiz- oder Innensenatorposten stehen SPD-Amtsinhaber im Weg – Karin Schubert und Ehrhart Körting. Fraktionschefin Klotz hingegen ist ausgewiesene Expertin für Arbeitsmarktpolitik. Kein Grüner könnte es der lang gedienten Parteisoldatin abschlagen, wollte die 45-Jährige PDS-Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner beerben. Auch wenn Klotz auf Nachfrage alle Gedanken daran bestreitet.

Einfacher hätte es die Kulturpolitikerin Alice Ströver. Sie hat sich im Abgeordnetenhaus den Ruf einer Kämpferin für kleine Kultureinrichtungen erarbeitet. Bei der SPD könnte die 50-Jährige offene Türen einrennen, ist Kultursenator Thomas Flierl doch von der PDS und obendrein vielen Sozialdemokraten herzlich unsympathisch.

Der Druck der Bundespartei auf die Berliner Grünen ist enorm. Nach dem Ende von Rot-Grün im Bund will die Partei zumindest in einem Bundesland mitregieren. Und so könnte es am Ende, wenn es für Rot-Grün nicht reicht, auch zur Variante Rot-Rot-Grün kommen – was die Personalfrage entsprechend verkomplizierte.

Auch die Hauptstadt-Grünen wollen endlich mehr sein als die geschätzte konstruktive Oppositionspartei. Dafür nehmen sie ein hohes Risiko in Kauf: Scheitert im Herbst Berlins Verfassungsklage auf Haushaltshilfen in Milliardenhöhe, steht das Land vor noch härteren Einsparungen. Aber darüber denken die Grünen bestimmt erst nach, nachdem die Wahl entschieden ist.