piwik no script img

Archiv-Artikel

Berliner nehmen sich mehr Macht

In den vergangenen zwölf Monaten haben die BerlinerInnen 14 Bürgerbegehren angemeldet. Behörden zeigen sich aufgeschlossen, so der Verein Mehr Demokratie

Bürgerbegehren sind zu einem beliebten Instrument geworden, um Politik in den Bezirken mitzugestalten. Seit Inkrafttreten des Gesetzes im Juli 2005 haben die BerlinerInnen 14 Bürgerbegehren angemeldet, davon haben die Behörden 10 nach einer Prüfung zugelassen. Zwei wurden bereits erfolgreich abgeschlossen – weil die Behörden dem Bürgerwunsch entsprachen. „Nach der Einführung gab es eine Verzögerung, weil sich das Instrument herumsprechen musste. Doch inzwischen nutzen die Bürger die Beteiligungsmöglichkeit sehr gut“, sagte Michael Efler vom Verein „Mehr Demokratie“ gestern.

Die Jahresbilanz der „Mehr Demokratie“-Experten hebt hervor, dass sich viele Bürgerinitiativen das Instrument aneignen. Fast 80 Prozent der Begehren schoben Initiativen mit an. Aber auch Vereine und Parteien nutzen die Möglichkeit gerne – bei Letzteren tut sich besonders die CDU hervor, die immer gegen das Gesetz argumentiert hatte. „Es ist erstaunlich: Bei einem Drittel ist die CDU direkt oder indirekt dabei“, so „Mehr Demokratie“-Sprecher Christian Posselt.

Die Zahl laufender Bürgerbegehren nahm von Monat zu Monat zu. Im Mai wurden gleich vier Bürgerbegehren angemeldet, was Posselt auf die „Politisierung“ durch den beginnenden Wahlkampf zurückführt. Besonders häufig beschäftigen sich die Initiativen mit Bauprojekten, was bei fünf Bürgerbegehren der Fall ist. Die Demokratielobbyisten loben die Behörden für ihre Kooperationsbereitschaft. In Friedrichshain-Kreuzberg etwa verzichtete das Bezirksamt vor dem Zustandekommen des Bürgerbegehrens darauf, den Verkauf des Künstlerhauses Bethanien voranzutreiben – obwohl das rechtlich zulässig gewesen wäre. „Das Verhalten drückt Respekt vor den Wünschen des Bürgers aus“, kommentierte Efler.

In zwei Fällen übte sich das Bezirksamt gar in vorauseilendem Gehorsam: Der Bezirk Reinickendorf legte den Verkauf des Kulturzentrums Centre Bagatelle kurz nach Anzeige eines Bürgerbegehrens auf Eis, Spandau nahm Kürzungen bei der Jugendhilfe größtenteils zurück. Zum ersten Bürgerentscheid wird es am 17. September in Lichtenberg kommen. ULRICH SCHULTE