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Archiv-Artikel

Der italienische Stiefel aus Teelichten

DEMO Gegen die Politik Berlusconis protestieren am Sonntag Berliner Italiener auf dem Bebelplatz

Ein Land ohne Opposition. Die Exilanten im Ausland organisieren Protest, der in der Heimat nicht möglich ist. Es geht um Italien. Aber ein bisschen Südamerika-in-den-Siebzigern-Atmosphäre spürt man schon, wenn man in das Ladenlokal in der Eylauer Straße in Kreuzberg kommt. Hier ist eine Art Knotenpunkt der Exilopposition Italiens. Ob „Mafia nein danke“, „No Berlusconi“ oder der Kulturverein Malaparte, etliche Gruppen teilen sich das enge Büro. Ein Großteil davon macht mit beim Protest-Event am Sonntag auf dem Bebelplatz gegen die derzeitige Politik in Italien.

Die Veranstalter wollen dort den Umriss Italiens aus Teelichten nachbilden und eine große Europa-Flagge hissen. „Die italienische Regierung demontiert Stück für Stück die demokratische Verfassung Italiens. Europa sieht zu“, sagt Corrado Lampe, Journalist und Mitgründer des Malaparte-Vereins. Dieser veranstaltet regelmäßig Filmabende, an denen Lampe für die Besucher auch kocht.

Dabei weiß Lampe viel zu erzählen, nicht nur über Risotto und Wein. Auch über Politiker, die archäologische Fundstücke horten und diesen unrechtmäßigen Besitz per Gesetz legalisieren wollen. Über Oppositionspolitiker, die Bücher im Verlag des Berlusconi-Imperiums veröffentlichen und deshalb keine wirkliche Opposition machen. Über Rechtsanwälte, die als Abgeordnete im Parlament an Gesetzen arbeiten, die ihren Mandanten zugutekommen sollen.

Im Internet hat Lampe aufgerufen, Teelichter für die Aktion auf dem Bebelplatz zu spenden. „Dort war die Bücherverbrennung“, erklärt Lampe. Und der Protest am Sonntag richtet sich unter anderem gegen Regierungspläne, Journalisten zu kriminalisieren, die über laufende Justizverfahren berichten.

Für Außenstehende wirkt einiges mitunter harsch. Kann man die Vorgänge in Italien mit der Bücherverbrennung vergleichen? Lampe will keine direkten Vergleiche zum Nationalsozialismus ziehen. Aber er sieht in dem, was in Italien passiert, für ganz Europa eine Gefahr: „Berlusconi ging in die Politik, um sich vor dem Bankrott zu retten. Er instrumentalisiert den Staat aus persönlichem Interesse.“

Dann bespricht er noch ein paar Dinge mit Giacomo Annibaldis, einem Publizisten, der die Idee zur Demo hatte. Mit der Aktionsgruppe „Fabbrica di Nichi“ ist Annibaldis auch im Büro in der Eylauer Straße präsent. Der Protest steht auf einer breiten Basis. SPD, Grüne, Die Linke und Ver.di unterstützen die Aktion. CDU und FDP antworteten nicht auf Anfragen. Samstagabend schon kommt hingegen Leoluca Orlando, ehemaliger Bürgermeister Palermos und Anti-Mafia-Aktivist im EU-Parlament. Ist dann noch ein gutes Restaurant offen in der Nähe von Orlandos Hotel, fragt Annibaldis. Lampe ist pragmatisch: „Na, wenn nicht, dann gehen wir in die Eylauer Straße und kochen was Gutes.“

GIUSEPPE PITRONACI

■ Veranstaltung auf dem Bebelplatz am Sonntag, 19.30 Uhr. Infos unter http://sites.google.com/site/25luglioperlademocrazia/