: Frauen kriegen mehr Platz auf dem Platz
FUSSBALL Wie fördert man Mädchen am besten? Länger als bisher mit Jungen in einem Team kicken, so das Ergebnis einer Tagung
VON JENS UTHOFF
Es war ein historischer Tag für den Berliner Fußball, doch die wenigsten dürften dies bemerkt haben. Er trug sich auch nicht auf dem Rasen eines Stadions zu, sondern in der nicht ganz so auratischen Atmosphäre im Gebäude der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales in der Kreuzberger Oranienstraße. Am Freitagnachmittag fand dort zum ersten Mal überhaupt eine Tagung nur für den Mädchen- und Frauenfußball in Berlin statt. Geladen hatte der Berliner Fußball-Verband (BFV).
„Danke dafür, dass ihr alle diese Lebendigkeit und diesen Elan ins Haus gebracht habt“, sagte Gabriele Kämper, Leiterin der Geschäftsstelle Gleichstellung der Senatsverwaltung für Wirtschaft und Frauen, gegen Ende der Tagung. Es war keines dieser gezwungen höflichen Schlussworte, sondern entsprach dem, was man gesehen und gehört hatte: Die über 100 Teilnehmer und – überwiegend –Teilnehmerinnen, viele davon noch diesseits der 30, verbreiteten Aufbruchsstimmung.
Im Foyer des Senatsgebäudes kamen die VereinsvertreterInnen und KickerInnen, etwa von Türkiyemspor, Hansa 07, dem DFC Kreuzberg, mit den Verantwortlichen der Verbände zusammen. Dauerhaft die Strukturen des Frauenfußballs zu verbessern war das Ziel. Vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) war Hannelore Ratzeburg, Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball, gekommen, vom BFV Vizepräsident Gerd Liesegang.
Förderung der Elite
Zu Beginn verteilten sich die TeilnehmerInnen auf fünf je zweistündige Workshops, in denen sie über die Themen ehrenamtliche Arbeit, Vielfalt im Fußball oder die Öffentlichkeitsarbeit diskutierten. Im Workshop Spielbetrieb, den auch Anouschka Bernhard, Ex-Nationalspielerin und heutige U17-Trainerin des DFB, besuchte, ging es hauptsächlich um die Förderung der Frauen-Elite. So sprach man über das Zweitspielrecht von Mädchen für die Jungenteams in den eigenen oder in anderen Vereinen. Dies solle eingeführt werden, wenn die Toptalente in ihren eigenen Mädchenteams nicht mehr optimal gefördert werden können, weil schlicht und einfach das Leistungsgefälle zu groß ist.
Auch generell diskutierte man das Thema Zusammenspielen mit Jungs. In der Praxis kicken die Mädchen heute oft fast von Beginn an in reinen Mädchenteams – weil inzwischen mehr Mädchen kicken als noch vor eigenen Jahren. Im Workshop aber waren sich die etwa 25 TeilnehmerInnen weitestgehend einig: So lange wie möglich mit Jungs zusammen spielen, müsse das Credo lauten. Laut BFV-Statuten ist derzeit allerdings nur vorgesehen, dass die D- bis F- Juniorinnen bei den Junioren kicken können.
Zu patriarchal geprägt
Gegen Ende der Tagung berichteten Vertreterinnen aus den Workshops von den drängendsten Fragen (und ersten Antworten), die in den Gruppen erörtert wurden. Was muss im Bereich Ehrenamt passieren, damit der Fußball nicht automatisch männlich gedacht wird? Die Kultur der Vereinsführung sei insgesamt zu patriarchal geprägt, das müsse sich ändern. Wie kann man Benachteiligung bei der Vergabe von Plätzen verhindern? Gleiche Rechte und Ressourcen für alle Teams müssten Vorschrift sein. Wie kann sich der Frauenfußball besser in der Öffentlichkeit präsentieren? Man müsse MeinungsführerInnen gewinnen.
Die wird man auch brauchen, damit die Frauen im BFV adäquat repräsentiert sind: Denn kickende Mädels schön und gut, einen eigenen Frauenausschuss sucht man dort bis heute vergebens. Der Frauenfußball ist im BFV dem Jugendausschuss untergestellt. Immerhin gibt es nun eine Arbeitsgruppe Mädchen und Frauen im BFV. Zum nächsten Verbandstag 2017 wird es dann wohl auch einen Frauenausschuss geben. Höchste Zeit, schließlich waren im Jahr 2012 von den knapp 135.000 Mitgliedern des Verbands 14.343 Frauen. Tendenz: steigend.
Mit der Ex-Bundesligaspielerin Tanja Walther-Ahrens, die sich bereits seit Jahren gegen die Diskriminierung des Frauenfußballs engagiert, sitzt nun für die kommenden vier Jahre zumindest eine Frau im Präsidium. „Ich bin die zweite Frau in 116 Jahren“, sagte die 43-Jährige und schmunzelte. Walther-Ahrens setzt sich gleichzeitig für LGBT-Rechte und gegen Homophobie im Fußball ein. Sie steht der AG Mädchen und Frauen vor und forderte die Besucher auf: „Kommt auf mich zu, wenn ihr mitmachen wollt.“
Wie gut oder schlecht die Stellung der Frauen im Fußballsport sei, das sei immer auch „ein wichtiger Indikator für die Gleichstellung von Mädchen und Frauen in der Gesellschaft“, sagte Kämper von der Geschäftsstelle Gleichstellung bereits zu Beginn. Lange habe sich zudem im Männer- und Frauenfußball das Geschlechterverständnis des Mainstream widergespiegelt: „Der eine darf nicht schwul, die andere muss lesbisch sein.“ Nicht erst mit dem Fall Hitzlsperger hofft man, dass diese Haltung sich nun Schritt für Schritt aus dem Fußball verabschiedet. Für Berlin jedenfalls ist ein Anfang gemacht.