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Archiv-Artikel

Der starke Mann verordnet Neuwahlen

SERBIEN Aleksander Vucic kann der Gelegenheit nicht widerstehen, die ganze Macht an sich zu reißen

AUS BELGRAD ANDREJ IVANJI

„Wir wollen den Willen des Volkes prüfen“, sagte am Samstag Aleksandar Vucic, Chef der Serbischen Fortschrittspartei (SNS) bei einer Parteiversammlung. Die Parteigenossen applaudierten frenetisch. Warum sollte man sich mit den kleinen, lästigen Koalitionspartnern abplagen, wenn man nach vorgezogenen Neuwahlen am 16. März allein herrschen kann?

Der starke Mann Serbiens, Vizepremier und Koordinator der Sicherheitsdienste, Aleksandar Vucic, hat erst vor wenigen Monaten die Regierung nach seinem Willen umgebildet. Es gibt einen politischen Konsens über die Beitrittsverhandlungen mit der EU, die am 21. Januar begonnen haben. Über notwendige institutionelle Reformen und strategische Ziele gibt es ebenfalls eine Übereinstimmung; die Gegner der Kosovo-Politik sind marginalisiert; die Koalitionsregierung hat eine stabile Mehrheit im Parlament.

Doch Vucic konnte der Versuchung nicht widerstehen, aus den guten Umfragen Kapital zu schlagen und mit der SNS die absolute Mehrheit anzupeilen. Er wird als „Beschützer der normalen Menschen“ vergöttert, der sich „unter Lebensgefahr“ der Willkür der Tycoone, der Gangster und korrupter Politiker widersetzt. Seine Machtgier wird als Bereitschaft gedeutet, Verantwortung für schmerzhafte, doch notwendige Reformen in Serbien zu übernehmen. Der „Retter und Reformer“ Vucic hat es geschafft, den oppositionellen Bürgermeister von Belgrad zu stürzen, die Kommunalwahlen in der Hauptstadt werden gleichzeitig mit den Parlamentswahlen am 16. März stattfinden. Und die SNS rüttelt an der Regierung der autonomen Provinz Vojvodina, es ist nur eine Frage der Zeit, wann Vucic sie zu Fall bringen wird und auch dort die Macht ergreift.

Während Serbien in technischen Fragen der EU näher kommt, wird sich die serbische Gesellschaft von demokratischen Idealen entfernen. Der autoritäre Vucic wird mit einer zerschlagenen Opposition und praktisch ohne kritische Medien herrschen. Mit autoritären Politikern, die die Macht an sich rissen, hat Serbien ungute Erfahrungen gemacht. Vucic hat schon einmal aus Opportunismus seinen politischen Kurs um 180 Grad geändert, als er die extrem nationalistische Serbische Radikale Partei (SRS) verließ und 2008 die SNS mit dem heutigen Staatspräsidenten Tomislav Nikolic gründete. Nicht aus Überzeugung, sondern weil das das Mittel war, an die Macht zu kommen.