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Archiv-Artikel

In israelischer Hand

von ANTJE BAUER

Israel hat seinen eisernen Griff um den Libanon auch am gestrigen Freitag nicht gelockert. Seit die islamistische Guerilla-Organisation Hisbollah am Mittwoch auf israelisches Territorium vorgedrungen war und zwei israelische Soldaten gekidnappt hatte, liegen israelische Kriegsschiffe vor der libanesische Küste und blockieren den Schiffsverkehr. Die israelische Luftwaffe bombardiert Ziele im gesamten Libanon. Am Freitag traf es zum dritten Mal den Beiruter Flughafen, der bereits seit dem ersten Angriff am Mittwoch geschlossen ist. Mehrfach wurde auch die Landstraße bombardiert, die Beirut mit Syriens Hauptstadt Damaskus verbindet, sie wurde mittlerweile gesperrt.

Angeblich mit dem Ziel, das Hauptquartier der Hisbollah zu treffen, wurden mehrmals die dicht besiedelten südlichen Vororte von Beirut bombardiert. Hier leben mehrheitlich Schiiten, die die Hisbollah unterstützen. Zuvor waren aus Flugzeugen Handzettel abgeworfen worden, in denen die Bevölkerung aufgerufen wurde, ihre Viertel zu verlassen. Bei den Angriffen wurde auch die Hisbollah-eigene TV-Station al-Manar getroffen, die aber weiter sendete, da ihre Studios geschützt unter der Erde liegen. Im Schiitenvorort Haret Hreik hat Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah seinen Sitz. Die Bewegung verfügt in diesem Viertel nicht über ein Zentrum, sondern über zahlreiche, auf unterschiedliche Wohnblocks verteilte Büros und Lokale. Insgesamt fielen den Angriffen bislang über 60 Menschen zum Opfer.

Die Angriffe der letzten Tage haben bei den Libanesen ungute Erinnerungen und alte Reflexe hervorgerufen – der Bürgerkrieg ist erst 15 Jahre her. Bereits am Mittwoch bildeten sich lange Schlangen vor Tankstellen und Supermärkten. Gestern waren die Straßen Beiruts dagegen weitgehend menschenleer. Vor allem die Beiruter Bevölkerung versuchte, in den Norden des Landes zu flüchten. Viele Libanesen flohen auch in Richtung Damaskus, zusammen mit tausenden Touristen, vor allem aus den Golfstaaten, die den Sommer im kühleren und leichtlebigeren Libanon hatten verbringen wollen.

Die libanesische Presse berichtete von unterschiedlichen Reaktionen der Bevölkerung auf die Provokation der Hisbollah und den darauf folgenden israelischen Rachefeldzug. Am Mittwoch hätten zunächst tausende Hisbollah-Anhänger in Beirut und im Südlibanon auf der Straße wegen der Entführung der israelischen Soldaten Freudenfeste gefeiert, jedoch sei auf diesen Überschwang bei vielen schnell die Furcht vor der israelischen Reaktion gefolgt. In Beirut überwogen Stimmen, die Israel heftig kritisierten, jedoch verurteilten einige Passanten auch das Vorgehen der Hisbollah, die eigenmächtig und – im Wortsinn – ohne Rücksicht auf Verluste handelte.

So gespalten wie die Bevölkerung ist auch die libanesische Regierung. Erst nach drei langen Sitzungen, in denen es dem Vernehmen nach hoch hergegangen ist, gelang es ihr am Donnerstag, eine Resolution zu verabschieden, in der das israelische Vorgehen verurteilt und der UN-Sicherheitsrat zum Eingreifen aufgefordert wird. Sichtbar werden die Streitigkeiten in dem Passus, in dem die Regierung ihr Recht und ihre Pflicht betont, ihre Autorität auf das gesamte Territorium des Libanons auszudehnen – ein Hinweis darauf, dass im Süden nicht das libanesische Militär, sondern die Hisbollah die Vorherrschaft hat. Die Regierung besteht zwar mehrheitlich aus Gegnern einer syrischen und iranischen Einmischung im Libanon, aber die Hisbollah, die von Syrien und dem Iran finanziert wird, stellt zwei Minister und hat Staatspräsident Émile Lahoud auf ihrer Seite.