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Archiv-Artikel

Aufsteigerin im Außenamt

Bei Regierungssprechern spielt die Religionszugehörigkeit meist keine Rolle. Doch dass mit Sawsan Chebli Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) eine gläubige Muslimin zur Vizesprecherin seines Hauses macht, lässt jetzt manche Augenbraue hochgehen, zumal die Berlinerin mit ihrem Glauben nie hinter dem Berg gehalten hat. „Man sieht mir das nicht an, weil ich kein Kopftuch trage“, sagt die 35-Jährige. „Aber ich bete, ich faste, ich esse kein Schweinefleisch und trinke keinen Alkohol.“ Für den Berliner Senat entwickelte sie zuletzt außerdem das Projekt „Jung, muslimisch, aktiv“, kurz Juma, das jugendliche Muslime motivieren sollte, sich politisch zu engagieren. Sie selbst ging damit mit bestem Beispiel voran.

In die Wiege gelegt wurde ihr die steile Karriere allerdings nicht. Chebli stammt aus einer deutsch-palästinensischen Familie, die nach 1970 aus einem Flüchtlingslager im Libanon nach Berlin kam und hier Asyl fand. Ihr Vater war Analphabet, zu Hause wurde nur Arabisch gesprochen, doch die Familie legte viel Wert auf Bildung. Bis zu ihrem 14. Lebensjahr war Chebli staatenlos – den deutschen Pass bekam sie erst 1993. Chebli ist das elfte von dreizehn Kindern, die meisten ihrer Geschwister wurden im Libanon geboren. Ihr ältester Bruder lebt heute als Imam in Schweden.

Zuletzt arbeitete Chebli beim Berliner Senat als Referentin für interkulturelle Angelegenheiten, ihre Kollegen dort loben ihre Verbindlichkeit und Klarheit. In das Auswärtige Amt bringt die Quereinsteigerin frischen Wind: Dort findet man in den höheren Rängen noch heute mehr Adelstitel als anderswo, und die Sprecher des Ministeriums waren bislang immer Berufsdiplomaten.

Doch auch Chebli bringt außenpolitisches Fachwissen mit. Während ihres Politikstudiums an der Freien Universität Berlin konzentrierte sie sich auf Internationale Beziehungen, speziell die Nahostpolitik, und sie hat schon an zahlreichen außenpolitischen Denkfabriken mitgewirkt. „Mein Traum ist, dass jeder in diesem Land beurteilt wird nach dem, was er kann – nicht nach seinem Hintergrund“, sagte sie einmal dem Zeit-Magazin. Für sie ist dieser Traum in Erfüllung gegangen. DANIEL BAX