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Archiv-Artikel

Hallo? Hallo, hier spricht Trotzki!

Angela Merkel versucht, den Weltenbrand per Telefon zu löschen. Schon Trotzki schätzte dieses Instrument

„Kann Merkel den Krieg stoppen?“, fragte die BZ am Sonntag ganz groß. Da hatte die ostdeutsche Bundeskanzlerin schon damit angefangen – und u. a. mit „den Israelis und dem König von Jordanien telefoniert“. Kann man telefonisch die Welt retten? Das wäre die nächste Frage.

Trotzki hätte sie bejaht: Nachdem er erstmalig – im New Yorker Exil 1916 – eine billige Wohnung gefunden hatte, die zu seiner Überraschung mit einem Telefon ausgestattet war. Sogleich erkannte er dessen Bedeutung als „kriegerisches Instrument“. Und wenig später, während der Oktoberrevolution und im Bürgerkrieg, verstand er dieses auch virtuos zu nutzen. In seiner 1929 wiederum im Exil geschriebenen Rückschau „Mein Leben“ geht es dann auch vor allem um seine Telefonanrufe zur Sicherung der Revolution. Den Kriegsreporter Curzio Malaparte verführte das dazu, ihn als Drahtzieher eines „Staatsstreichs“ hinzustellen, wobei er jedoch das Gegenteil dessen – den „Volksaufstand“ – nicht einmal in Betracht zog. Trotzki schimpfte ihn deswegen einen „faschistischen Theoretiker“.

Angela Merkel nun tickt ganz anders: Digital statt analog? Mitnichten! Sie hat sich ein Bildnis von Katharina der Großen in ihr Kanzleramtszimmer gehängt. Die russische Kaiserin aus Sachsen-Anhalt war die Erste, die mittels ihrer Porträts regierte. Damals kam gerade die leicht zu transportierende Leinwandmalerei auf – und Katharina ließ sich quasi ununterbrochen von berühmten Malern porträtieren. Ihre Bilder wurden bis in die entferntesten Winkel des Reiches geschickt, wo dann mit ihr im Rücken in den Provinzen Politik gemacht wurde. In Jever, Hauptstadt der Provinz Friesland, die mit Katharina der Großen an Russland fiel, hängt ihr Bild noch heute im Schloss. Jetzt werden davor jedoch nur noch bürgerliche Ehen geschlossen. Katharina im Kanzleramt, das ist natürlich auch eine Reaktion auf Schröders Übertritt in russische Dienste, hier und jetzt geht es Angela Merkel jedoch darum, Katharinas Tschetschenen als die Hisbollahs von heute zu begreifen – und (telefonisch) zu umzingeln.HELMUT HÖGE