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Archiv-Artikel

Held oder Buhmann?

Die Grenzen zwischen Liebling und Buhmann der Revolution liegen in Tunesien eng beieinander. Das muss der alte und wohl auch neue Innenminister Lotfi Ben Jeddou dieser Tage erfahren. 2011 war der 49-jährige Jurist aus der Provinz Kasserine einer der bekanntesten und beliebtesten Staatsanwälte. Jetzt streiten sich die Abgeordnete über ihn. Denn Ben Jeddou soll auch in der neuen Technokratenregierung unter Mehdi Jomaa im Amt bleiben.

Ein Teil der säkularen Opposition sieht dies nicht gerne und droht, gegen das neue Kabinett zu stimmen, das die zurückgetretene islamistische Regierung ersetzen wird. Ben Jeddou habe nicht energisch genug gegen radikale Salafisten Front gemacht und sei damit an dem Mord an einem linken Oppositionspolitiker im Juli vergangenen Jahres mit schuldig, so der Vorwurf.

Für diejenigen, die Ben Jeddou verteidigen, wird ihm das nicht gerecht. Denn der parteiunabhängige Jurist wurde nur wenige Monate nach dem Sturz des Diktators Ben Ali zum Staatsanwalt in seiner Heimatprovinz ernannt. Gegen den Widerstand der Polizei untersuchte er die Polizeieinsätze in Kasserine und Thala Anfang 2011, bei denen 21 Menschen getötet und 400 weitere verletzt wurden.

Ben Jeddou stellte 15 Haftbefehle aus, darunter gegen den letzten Innenminister der Diktatur, den Staatssicherheitschef und drei Generäle. Die Jugendlichen aus Kasserine schlugen ihn daraufhin für das Amt des Übergangspräsidenten vor. Dazu kam es nicht. Dennoch endete der Jurist, der in Tunis, Paris und Istanbul ausgebildet wurde, in der Politik. Der Vater dreier Kinder wurde im März 2013 von der islamistischen Ennahda zum Innenminister ernannt. Tunesien steckte in einer schweren Krise, nachdem erstmals ein Oppositionspolitiker, Chokri Belaid, ermordet wurde.

Die Regierung trat ab, der damalige Innenminister Ali Laarayedh bildete ein neues Kabinett. Ein zweites tödliches Attentat im Juli auf den Angeordnete Mohammed Brahmi brachte diese Regierung ebenfalls in Bedrängnis. Jetzt, nach einem nationalen Dialog, tritt auch sie ab. Jeddou soll bleiben. „Wegen der Kontinuität im Bereich Sicherheit“, erklärt der künftige Premier Jomaa. REINER WANDLER