: Dänemark will Ölscheichtum werden
Lizenz zum Bohren: Die Ölvorräte vor Grönland werden versteigert. Geologen versprechen große Funde, die Dänemark zur Ölnation machen würden. Zudem wird die Erschließung einfacher, weil der Klimawandel das ewige Eis schmelzen lässt
VON REINHARD WOLFF
Ein neues Ölreservoir soll angezapft werden: die Arktis. „Das Meer vor Nordgrönland halten Experten für eines der weltweit spannendsten Ölvorkommen“, sagt Jørn Skov Nielsen, Direktor der Rohstoffbehörde im grönländischen Nuuk. In dieser Woche beginnt eine Versteigerungsrunde für Bohrlizenzen. „Das Interesse ist riesig“, freut sich Nielsen. „Es sind eine große Menge seismischer Daten gesammelt worden, die von den großen Ölkonzernen gekauft worden sind. Das ist ein deutliches Zeichen, dass die Branche in den Startlöchern kniet.“
Diesmal geht es um ein Meeresgebiet vor Nordwestgrönland, das fast ganzjährig mit Eis bedeckt ist. „Logistisch ist das ein schwieriges Gebiet“, gibt Nielsen zu. Doch der steigende Ölpreis (siehe Kasten) macht die Erschließung jetzt interessant. Grönland ist teilautonom und gehört zu Dänemark.
US-Geologen wollen errechnet haben, dass mehr als ein Viertel aller verbliebenen weltweiten Ölreserven in arktischen Gebieten lagern. Allein im Meeresgebiet vor Nordgrönland sollen sich etwa 110 Milliarden Barrel befinden. Das würde etwa der Hälfte der Ölvorkommen in Saudi-Arabien entsprechen und wäre zwanzig Mal mehr, als vor der Küste Norwegens zu finden ist, des jetzigen europäischen Ölkrösus. Norwegen und Grönland bildeten zu früheren Zeiten der Erdgeschichte ein eng zusammenhängendes Gebiet und verfügen über eine ähnliche Geologie.
Bleibt allerdings noch ein Problem: das Eis. Dennoch sind die Verantwortlichen optimistisch. „In den letzten 10 bis 15 Jahren haben die Ölgesellschaften ihre Technik perfektioniert, und diese Entwicklung wird sich fortsetzen“, glaubt Nielsen. Zudem plant man eiskalt ein, dass die Erderwärmung auch künftig dafür sorgen wird, dass das störende Eis abschmilzt. „In den letzten fünf bis sechs Jahren ist das Eis dramatisch schnell verschwunden. Ehemals unzugängliche Gebiete lassen sich nun erschließen.“
Umweltschützer halten das Projekt für völlig unverantwortlich. Denn Öl baut sich in kalten Gewässern besonders schwer ab – gleichzeitig ist die Arktis ein wichtiges Nahrungsreservoir für diverse Fischarten. Sind sie bedroht, verlieren auch die zahlreichen arktischen Urvölker ihre Lebensgrundlagen. Aus genau diesen Gründen protestieren die Umweltschützer auch gegen die Öl- und Gasprojekte im Nördlichen Eismeer, die Russland und Norwegen weiter östlich von Grönland planen und teilweise bereits begonnen haben.
Unklar ist noch, ob die Geologen überhaupt Recht haben mit ihren hochgespannten Erwartungen. Die bisherigen Erfahrungen im Nördlichen Eismeer waren für die Ölmultis durchaus ernüchternd. In vermeintlich aussichtsreichen Gebieten blieben viele Bohrungen „trocken“. In den norwegischen Gewässern waren nur zwei von sechzig Bohrungen ergiebig. „Es ist schön, wenn die Geologie auf unserer Seite ist“, freut sich Bård Lahn, Vorsitzender der norwegischen Naturschutzorganisation Natur og Ungdom, „wenn schon die Politiker keine Grenzen setzen können.“