: „Es hätte schief gehen können“
Peter Neururer, Trainer von Hannover 96, über seine Kritik an Jürgen Klinsmann, den möglichen Wechsel von Per Mertesacker nach Bremen und die Chancen von 96 in der kommenden Saison
Interview: Christian Görtzen
taz: Herr Neururer, wie zufrieden sind Sie mit der WM?
Peter Neururer: Meine Zufriedenheit spielt mehr oder weniger keine Rolle. Höchstens dahingehend, dass ich als Fan der deutschen Nationalmannschaft natürlich sehr froh darüber bin, welch positive Atmosphäre in Fußball-Deutschland vorherrschend war. Wir sind Dritter geworden, haben das von Klinsmann erwünschte Ziel nicht erreicht, aber trotzdem für eine unglaubliche Euphorie im Lande gesorgt. Ich glaube, es ist noch nie eine Mannschaft so gefeiert worden nach einem Nicht-Erreichen eines Zieles wie unsere. Die Mannschaft hat aber auch sehr viel dafür getan. Die Außendarstellung war toll. So, wie die Mannschaft herübergekommen ist, war das sehr, sehr ordentlich.
Sie waren vor der WM einer der schärfsten Kritiker Jürgen Klinsmanns. Haben Sie Ihre Position verändert?
Das, was ich moniert habe, hat weiterhin Bestand. Ich mache es nicht von irgendwelchen Erfolgen und Ergebnissen abhängig.
Was stört Sie konkret?
Im Augenblick stört mich gar nichts, es sei denn, dass Klinsmann nicht mehr im Amt ist. Das heißt nicht, dass ich es unbedingt möchte, dass er in seinem Amt bleiben soll. Das ist Quatsch. Ich habe es angesprochen, ob der Trainer einer deutschen Nationalmannschaft seinen Wohnsitz im Ausland, in Kalifornien, haben sollte und daher sehr, sehr selten in Deutschland ist. Es gab noch andere Sachen. Dass Klinsmann und Oliver Bierhoff über Trainingsmethoden der Bundesliga gesprochen haben, hat mich sehr gestört. Man darf nicht vergessen: Bis auf Robert Huth und Jens Lehmann kommen alle Spieler aus der Bundesliga. Daher sollte man nicht sagen, dass die Bundesliga keine ordentliche Arbeit abgeleistet hat. Die Arbeit von Klinsmanns Fitnesstrainern war im Prinzip eine recht leichte. Der körperliche Zustand rekrutiert sich aus 34 Bundesligaspielen, aus Europacupspielen und aus der Arbeit in den jeweiligen Vereinen.
Sie haben ja eine „Ochsentour“ durch die Ligen hinter sich, bevor Sie sich in der Bundesliga etabliert haben. Und dann kommt da ein Klinsmann und wird Bundestrainer, obwohl er noch keinen Bundesligaklub trainiert hat. Inwiefern war in Ihrer Kritik vor der WM Neid mit im Spiel?
Mit Sicherheit war das kein Neid. Neid schon deshalb nicht, weil ich noch nie ambitioniert war, irgendwo Nationaltrainer werden zu wollen. Das ist überhaupt nicht mein Ding. Ich habe auch nicht gesagt, dass Klinsmann einen Fehler gemacht hat, Nationaltrainer zu werden. Für mich hat man da auf eine Karte gesetzt, die gar kein Gesicht hatte. Der DFB verpflichtete einen Trainer, von dem er gar nicht wusste, wozu dieser im Stande war, weil er noch nie als Trainer gearbeitet hatte. Meine Kritik richtete sich nicht gegen Klinsmann, sondern gegen diejenigen, die eine solche Entscheidung getroffen haben. Dass alles gut gegangen ist, fand ich klasse. Es hätte aber genauso gut, weil es keiner wusste, schief gehen können.
Haben auch Sie sich von der WM-Atmosphäre mitreißen lassen?
Fortwährend, das war unglaublich. So eine Stimmung habe ich weltweit noch nie erlebt, und ich bin immerhin seit 1966 bei allen Weltmeisterschaften dabei gewesen. Das Miteinander der Nationen war für mich entscheidend.
Leider nur hielt der Sport da nicht Schritt und so gab es nur wenige wirklich gute Spiele, die einem in Erinnerung bleiben.
Das ist richtig. Die taktischen Maßnahmen engten die Kreativität auf diesem höheren Niveau ein. Wenn die Qualität so hoch steht, neutralisiert die eine Weltklassemannschaft die andere.
Haben Sie die Befürchtung, dass die “Doppel-6“, also die Aufstellung mit zwei defensiven Mittelfeldspielern vor der Abwehr, zum maßgebenden Modell werden wird?
Nein, habe ich nicht. Auf einem solchen Niveau ist das aber ein absolut probates Mittel.
Wie haben Ihnen die eigenen Spieler gefallen?
Jens Lehmann, dem ich noch verbunden bin, weil er während meiner Zeit auf Schalke meine Nummer eins war, war einer der herausragenden Torhüter der WM. Per Mertesacker hat überragend gespielt, fast fehlerfrei. Steve Cherundolo hat das Problem gehabt, in einer amerikanischen Mannschaft zu spielen, die sehr viel Herz besitzt, der in den entscheidenden Phasen aber die Cleverness fehlte. Jiri Stajner hat sich bei Tschechien als Ersatzspieler so eingebracht, wie er es konnte.
Geht Per Mertesacker zu Werder Bremen?
Wer sagt, dass er abhaut? Warten wir mal ab.
Hat Ihre Mannschaft das Zeug dazu, zur Überraschungsmannschaft der neuen Saison zu werden und sich am Ende unter den ersten sechs, sieben Teams zu platzieren?
Nein, das ist nicht drin.