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Archiv-Artikel

„Die hohe Qualität der Geräte ist wichtig“

Frauen müssen sich entscheiden: Gehen sie zur freiwilligen und kostenlosen Röntgenreihenuntersuchung ihrer Brüste oder nicht. Gute Information ist dafür unerlässlich, sagt Martina Schröder. Denn es geht um die Angst vor der Diagnose

taz: Frau Schröder, Sie empfehlen Frauen, sich gut über das Mammografie-Screening zu informieren, bevor sie entscheiden, ob sie hingehen. Warum?

Martina Schröder: Hier wird eine neue, große Röntgenreihenuntersuchung eingeführt. So etwas kann man nicht leichtfertig angehen. Die Informationsmaterialien, die wir bisher darüber kennen, sind zu vage gefasst, was die Vorteile und Risiken dieses neuen Verfahrens angeht. Und viele Frauen haben, wie neue Veröffentlichungen zeigen, falsche Vorstellungen entwickelt, was das Screening bringt. Etwa zwei Drittel denken, dass Mammografie Brustkrebs verhindert. Das ist natürlich nicht der Fall.

Wo sehen Sie die Vorteile des Screenings?

Gut ist, dass das so genannte wilde Screening eingedämmt wird. Dabei wurden Frauen nach Gutdünken zur Mammografie geschickt – ohne dass gewährleistet war, dass die Qualitätsstandards eingehalten werden. Das Gutachten des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen hat aufgrund dieser unkontrollierten Mammografien von 100.000 unnötigen Eingriffen gesprochen. Man muss aber klar sagen: Frauen profitieren unterschiedlich vom Screening. Für einen Teil ist das frühere Stadium, in dem der Krebs erkannt wird, eine Verbesserung. Bei anderen wird nur die Zeit, in der sie mit dem Krebs leben, verlängert.

Wo sehen Sie noch Nachteile?

In Ländern, in denen es die Reihenuntersuchungen schon gibt, hat sich gezeigt, dass doppelt so viele Frauen wie bisher eine Krebsdiagnose erhalten. Ein Teil davon muss als Überdiagnose gewertet werden. Es könnten zum Beispiel Krebsvorstufen diagnostiziert werden, die sich vielleicht nie zu einem Krebs entwickeln werden. Die Behandlungen sind trotzdem die gleichen.

Warum?

Die Ärzte können nach dem jetzigen Stand nicht sagen, welche Prognose eine Frau bei einem kleinen Knoten hat. Das heißt im Klartext: Mehr Frauen müssen mit der Krebsdiagnose leben. Ein anderer Nachteil: Es gibt aggressive Krebsformen, die sich nicht an einen Zwei-Jahres-Rhythmus halten. Auch sind radioaktive Strahlen selbst krebsauslösend. Es werden gesunde Frauen zum Röntgen eingeladen. Deshalb ist es so wichtig, dass die hohe technische Qualität der Geräte garantiert ist.

Das Mammografie-Screening rührt an die Ängste der Frauen nach dem Motto: Will ich überhaupt wissen, ob ich Brustkrebs habe oder nicht?

Die Frauen und ihre Unsicherheiten stehen bei dem Screening nicht im Blickpunkt, sondern nur deren Brüste. Es findet ja dort kein Gespräch statt. Viele Frauen haben Angst vor Brustkrebs und hoffen, diese durch regelmäßiges Screenings abbauen zu können. Letztendlich kann so eine Röntgenaufnahme jedoch nur für den Moment, in dem sie gemacht wird, feststellen: Da ist was, oder da ist nichts.

Welche Alternativen zur Mammografie sehen Sie?

Es wurde in den vergangenen Jahren zu wenig geforscht, was als Früherkennung aussagekräftiger wäre, beispielsweise bestimmte Blutuntersuchungen.

Meinen Sie, die Apparatemedizin hat wieder einmal Vorfahrt vor sanfteren, aber aufwendigeren Früherkennungstechniken erhalten?

Vom jetzigen Wissenstand her gibt es keine besseren Möglichkeiten, Brustkrebs frühzeitig zu erkennen. Dass das ein Geschäft ist, bei dem es um viel Geld geht, das sollte man aber auch mal klar sagen.

INTERVIEW: WALTRAUD SCHWAB