: Rebellion gegen Pläne der Bahn
Die Deutsche Bahn AG will ihre Speditionstochter Schenker schlucken. Denn sie bringt satte 8,6 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Doch der Schenker-Chef wehrt sich
BERLIN taz ■ Dieser Brief klingt nach massivem Druck: Der Vorstandschef der Bahntochter Schenker, Hans-Jörg Hager, warnt in einem Schreiben an seine Führungskräfte, dass die Deutsche Bahn AG (DB) den Spediteur zerlegen könnte. „Wir sehen der Gefahr ins Auge, dass unser Eigentümer eine Entscheidung getroffen hat, die Schenker aufs Spiel setzt“, schrieb er. Das Papier wurde gestern bekannt.
Den Anlass für den Ärger gibt eine Vorlage für die nächste DB-Aufsichtsratssitzung im August. In dieser fordert Bahnchef Hartmut Mehdorn, Schenker in die Strukturen der DB zu integrieren. Das Vorhaben weist auf einen empfindlichen Punkt der Bahn hin: Experten gehen davon aus, dass sich ihre Zukunft in der Güterverkehrssparte entscheidet. Diese erwirtschaftete 2005 mit 14,3 Milliarden Euro fast die Hälfte des gesamten DB-Umsatzes. Davon stammten allein 8,6 Milliarden Euro von der Lkw-Tochter Schenker. Das ist mehr als dreimal so viel, wie das Schienengüterunternehmen Railion beitrug.
Die Sanierung von Railion ist eins der drei großen Probleme, die die DB mit ihrer Logistiksparte hat. Die anderen sind fehlendes Geld für eine echte Wachstumsstrategie und eine „praktisch nicht steuerbare“ Organisation, wie es in einem DB-Strategiepapier aus dem März heißt. Damals schon schlugen die internen Experten vor, was Mehdorn nun dem Aufsichtsrat nahe legen will: Statt nach den Teilunternehmen Schenker, Railion, Stinnes und Bax soll die Sparte künftig nach den einzelnen Dienstleistungsarten strukturiert werden – das wären Güterbahn, Lkw-Spedition, See- und Luftfracht, Massenguttransporte und kombinierter Verkehr Straße/Schiene.
Schenker-Chef Hager befürchtete in seinem Schreiben, dass Schenker dabei zu kurz kommt. Auch Experten gestehen zu, das die Integration des Spediteurs für die DB ein besonderes Problem ist – nicht nur wegen seiner Größe. Per Ola Hellgren, Bahnexperte der Landesbank Rheinland-Pfalz, erklärt: „Die Bahn ist ein Quasi-Monopolist und kann ihre Preise selbst beeinflussen.“ Schenker stehe dagegen im Wettbewerb mit der Welt. Der Spediteur brauche hingegen Kompetenzen und Kapazitäten, „um glaubwürdige Angebote zu machen“. Das seien zwei „sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle“.
Die Financial Times Deutschland leitete aus dem Brief von Schenker-Chef Hager, der der Zeitung dieser Tage zugespielt worden war, eine „Meuterei“ gegen Bahn-Vorstand Hartmut Mehdorn ab. Doch bei der DB gibt man sich gelassen. Die Aufregung sei „Schnee von gestern“, sagte DB-Sprecher Hans von Dewall der taz. Denn Hager habe „Recht“ und nur eine „berechtigte Sorge“ formuliert. Der Bahn-Vorstand habe die Strategie in den letzten Wochen bereits „ein bisschen modifiziert“. Auf Einzelheiten wollte er nicht eingehen. Bei Schenker hieß es nur, „der Brief ist in der Welt“, weiter könne man nichts sagen.
BEATE WILLMS