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Archiv-Artikel

Israels jetziger Krieg wird kaum auf Kritik stoßen

Seit dem 11. September 2001 geht vieles als „Selbstverteidigungskrieg“ durch, was früher international fast einhellig verurteilt worden wäre

GENF taz ■ Angenommen, die baskische Untergrundorganisation ETA hätte zwei spanische Soldaten nach Frankreich entführt und von Stützpunkten auf südfranzösischem Territorium Raketen auf Ziele in Spanien abgeschossen. Hätte die spanische Luftwaffe dann unter Berufung auf das Selbstverteidigungsrecht nach Artikel 51 der UNO-Charta den Pariser Flughafen, die Autobahn von Paris nach Brüssel sowie den Hafen von Marseille bombardiert?

Höchstwahrscheinlich nicht. Wenn die spanische Regierung so vorgegangen wäre wie seit nunmehr sechs Tagen die israelische Regierung gegen Libanon, wäre sie wohl von einer überwältigenden Mehrheit der UNO-Generalversammlung verurteilt worden – wegen eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges. Doch für Israel galten schon immer besondere Bedingungen und Ausnahmen vom Völkerrecht: die Resolutionen 242 und 338, mit denen seit 1967 die vollständige Räumung der von Israel damals völkerrechtswidrig besetzen Gebiete gefordert wird, sind bis heute nicht umgesetzt. Zudem hat das von Israel im aktuellen Konflikt reklamierte Selbstverteidigungsrecht auf Basis von Artikel 51 der UNO-Charta seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eine interpretative Ausweitung erfahren: In ihrem Antiterrorkampf führen die USA seit Anfang Oktober 2001 einen „Selbstverteidigungskrieg“ gegen den Terrorismus. Der Krieg der USA und Großbritanniens im Irak vom Frühjahr 2003 wurde dann zwar von rund 80 Prozent aller UNO-Staaten abgelehnt. Doch kein Land war bereit, in der Generalversammlung eine Resolution einzubringen, die die Völkerrechtswidrigkeit des Irakkrieges festgestellt hätte.

Unter der Überschrift der „Bekämpfung des Terrorismus“ betreiben, dulden oder unterstützen nun auch Russland, China, die EU-Staaten und andere Länder Maßnahmen auf eigenem oder fremdem Territorium, die vor dem 11. September eine große Mehrheit der UNO-Mitglieder noch als völkerrechtswidrig verurteilt hätte. So muss Israel nicht befürchten, dass sein „Selbstverteidigungskrieg“ im Libanon nennenswerte internationale Kritik oder gar Sanktionen zur Folge haben könnte.

Das zeigt auch die verständnisvolle Erklärung der Sankt Petersburger G-8-Gipfels, in der Krieg Israels grundsätzlich gerechtfertigt wird als Akt legitimer Selbstverteidigung. Die israelische Regierung wird lediglich in vager Form zur „Zurückhaltung“ bei ihren Militäraktionen aufgerufen. Diese Mahnung bezieht sich auf die Regeln des „humanitären Völkerrechts“ zur Kriegführung, insbesondere auf die Bestimmungen der Genfer Konventionen zum Schutz der Zivilbevölkerung, an die auch die Hisbollah gebunden ist. Gegen diese Regeln des Völkerrechts haben Israel wie auch die Hisbollah nach übereinstimmender Auffassung der Menschenrechtsorganisationen Human Rights Watch und amnesty international wie auch des stellvertretenden SPD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, Walter Kolbow, in den letzten sechs Tagen verstoßen. In gravierender Weise. Andreas Zumach