„Da gibt es einige Aha-Erlebnisse“

Lilly-Personalchef und Demographie-Netzwerker Roland Kutschenko dazu, wie die Arbeitergeber sich auf die Alterung der Bevölkerung und ihrer eigenen Belegschaft einstellen. Doch auch Lilly entscheidet sich „oft für Jüngere“

taz: Herr Kutschenko, was will das frisch von mehreren Dutzend Unternehmen gegründete „Demographische Netzwerk“?

Roland Kutschenko: Wir sehen uns als Pioniere eines Bewusstseinswandels. Auch die Unternehmen müssen sich darauf einrichten, dass ihre Belegschaften älter werden. Dazu schaffen wir Plattformen für den Austausch von Erfahrungen und Konzepten. Das Ganze ist gebündelt in der Kampagne „30-40-50 plus – Gesund arbeiten bis ins Alter“ der „Initiative Neue Qualität im Alter“, die von der Bundesregierung unterstützt wird.

In der aktuellen Debatte über die Beschäftigungschancen älterer Arbeitnehmer wird sehr deutlich, dass die Arbeitgeber bislang gar nichts dafür tun. Wollen Sie das ändern?

Wir befassen vor allem mit den Arbeitnehmern im Betrieb – weniger mit denen, die außen vor stehen. Den meisten Unternehmen dämmert es jetzt erst, was die Alterung der Bevölkerung bedeutet. Sie fangen überhaupt erst an, ihre Belegschaft auf Alter und Qualifikationsstruktur zu analysieren. Da gibt es einige Aha-Erlebnisse. Nicht zuletzt wird ja auch die Kundschaft älter. Die DiBa-Bank etwa hat festgestellt, dass die älteren Leute lieber auch von älteren Mitarbeitern beraten werden.

Insgesamt aber stellen die Unternehmen fast nur Junge ein, solange der Arbeitsmarkt ein Überangebot bereithält.

Pauschal gebe ich Ihnen Recht. Dieses Paradigma wird aber nur noch vier bis fünf Jahre vorherrschen. Denn dann gehen uns die jüngeren Fachkräfte aus. Die längerfristig denkenden Unternehmen stellen sich jetzt schon darauf ein.

Tun sie nicht – sonst würden sie die Fachkräfte auch ausbilden. Stattdessen verlangen die Unternehmen die Ausbildung vom Staat – und werden auch in vier oder fünf Jahren wieder nach dem Staat rufen.

Auch da gebe ich Ihnen größtenteils Recht. Es gibt bei den Unternehmen da sehr große Unterschiede. Auch unsere Initiative besteht eher aus den fortschrittlichen Firmen, die keinesfalls einen repräsentativen Durchschnitt darstellen. Immerhin aber haben wir in den vergangenen drei Monaten schon 40 neue Betriebe angeworben.

Ganz vorn dabei Post und Telekom – die gerade 15.000 55-Jährige in Frühpension schicken. Sind das Vorbilder?

Hierbei stehen sicherlich Kostenüberlegungen an erster Stelle. In betriebswirtschaftliche Entscheidungen mischt sich das Netzwerk nicht ein.

Und ist Ihr Betrieb, Lilly, ein Vorbild? Haben Sie eine Quote für Ältere?

Wir arbeiten bewusst nicht mit Quoten. Bei uns lehnen auch die Älteren eine „besondere Behandlung“ ab. Wie die meisten Unternehmen entscheiden wir uns auch oft für Jüngere. Sie sind unsere Zukunft und bringen neue Ansichten mit. Wir stellen aber auch über 50-Jährige ein – allerdings vor allem hochqualifizierte. Die Mischung in der Belegschaft macht den Unterschied.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN