Der Oberarzt von Ulla Schmidt

Es wäre Peter Sawicki lieber, seine Arbeit sähe anders aus. „Die Beweislast dafür, ob neue Medikamente einen zusätzlichen Nutzen haben, müsste beim Hersteller liegen.“ Dem ist aber nicht so. In Deutschland gilt die europaweit einmalige Regelung, dass jedes behördlich zugelassene Medikament verordnet werden darf – und von der Kasse bezahlt werden muss, zu dem Preis, den der Hersteller festlegt. Die Aufgabe Sawickis und seiner Mitarbeiter am Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) ist es, im Nachhinein zu klären, ob das neue Präparat tatsächlich besser ist oder sich der Zusatznutzen auf die Bilanz der Pharmafirma beschränkt. Das Gesundheitsministerium, in dessen Auftrag Sawicki forscht, verspricht sich davon Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben.

Die Pharmaindustrie blickt deshalb scheel auf die Arbeit des Sawicki-Instituts, und nun mit gutem Grund. Auf Empfehlung des IQWiG hat der Gemeinsame Bundesausschuss, das oberste Gremium von Kassen, Ärzten und Klinikvertretern, beschlossen, dass künstliche Insuline für Menschen mit Altersdiabetes künftig nicht mehr von den Kassen bezahlt werden, sofern die Hersteller die Preise nicht senken. Sawicki zufrieden: „Das bedeutet, dass das hohe Vertrauen in die Qualität des Instituts gestärkt wurde.“ Und in dessen Direktor.

Die Gründung des Instituts im Juni 2004 war ein Politikum, ebenso umkämpft war hernach die Besetzung des Chefsessels. Eine Allianz aus Pharmakritikern, die bis ins Gesundheitsministerium reichte, hievte schließlich Sawicki auf den Posten. Der Sohn polnischer Dissidenten, 1957 in Warschau geboren, hatte sich bereits früh als renitenter Mediziner einen Namen gemacht. „Das kann ja wohl nicht wahr sein“, sagte er sich als junger Assistenzarzt, als er jeden Herzinfarkt abhängig vom jeweiligen Oberarzt anders behandeln sollte. Er wandte sich der evidenzbasierten Medizin zu und gründete nach steiler Karriere als Diabetologe 2001 in Köln das Institut für evidenzbasierte Medizin. Diese Medizin setzt bei der Behandlung auf wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse. Logisch, sollte man meinen, doch um die besten aus tausenden von mittelmäßigen und manipulierten Studien herauszufiltern, braucht es jenen jugendlichen Elan, der Sawicki kennzeichnet.

Seine Liste ist noch lang – Präparate gegen Asthma, Bluthochdruck und Demenz stehen drauf. „Wir werden noch oft schreiben müssen, dass Medikamente keinen zusätzlichen Nutzen haben.“ Die Anfeindungen der Industrie stören ihn dabei weniger. „Das ist zu erwarten.“ Nahe gehen ihm Anrufe von betroffenen Patienten. Denn zuerst ist Peter Sawicki Arzt. ANNA LEHMANN