LESERINNENBRIEFE
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Der Mann mit dem Banjo

■ betr.: „Ohrwurm der Bewegung“ u. a., taz vom 29. 1. 14

Es stimmt, Pete Seeger konnte beides: eine Gänsehaut auslösen und Mut machen. Einen seiner letzten großen Auftritte hatte er beim FarmAid-Festival im September 2013 im Bundesstaat New York. Es war ein Überraschungsauftritt.

Ein paar Tage nach dem Festival sah ich das Video: Pete Seeger kommt tatsächlich auf die Bühne, entschuldigt sich für seine brüchige Stimme, er brauche die Hilfe des Publikums. Und dann singt er „If I had a hammer“ gemeinsam mit den 25.000 FarmAid-Gästen. Er singt auch „This land is my land“ samt einer neuen Strophe: „New York was meant to be frack-free!“. In diesem Moment schlägt ein Funke über. Ich habe das Gefühl, wachgerüttelt worden zu sein, wach für das Thema Fracking.

Wachrütteln – ja, das konnte er, der Mann mit dem Banjo. Und er konnte es noch mit 94. MARTIN NOLTE, Borchen

Die Zeichen des Gegenüber

■ betr.: „Der Blick ins Dekolleté“, taz vom 25. 1. 14

In der Diskussion geht es in erster Linie um die individuelle Einschätzung und Bewertung von Situationen als sexistisch oder eben nicht. Alle drei Frauen würden schnell einen Konsens finden, was sie als eindeutig sexistisch oder übergriffig empfinden würden. Der zu diskutierende Bereich dazwischen bleibt, weil es sich um zwischenmenschliche Begegnungen handelt, die voraussetzen sein Gegenüber wahrzunehmen und dementsprechend angemessen zu reagieren. Dieselbe Aussage oder Geste trifft ganz offensichtlich bei Frau Agena und Frau Wizorek auf einen anderen Boden als bei Frau Hoffmann. Das kann ein Mann wahrnehmen und sich entschuldigen, wenn eine Bemerkung oder eine Geste als sexistisch empfunden wurde. So viel Einfühlungsvermögen kann ich voraussetzen.

Die Debatte über Sexismus, welche durch die Brüderle-Affäre und die Aufschreikampagne geführt wurde, zeigte deutlich wie selbstverständlich sexistisches Verhalten ist und wie wenig Sensibilität seitens der Männer offensichtlich vorhanden ist, damit angemessen umzugehen. Und vor allem mit welchem Rechtsempfinden sich viele Männer sexistisch verhalten und die Zeichen des Gegenüber nicht wahrnehmen wollen.

Es geht in dieser Frage nicht um die individuelle definitive Einordnung einer Situation als sexistisch, sondern um einen Dialog zwischen Männern und Frauen.

BEATRICE TAPPMEIER, Bielefeld

Wir können etwas tun

■ betr.: „Bauer sucht Scholle“, taz vom 28. 1. 14

Absurd. Was einst als „öko“ begrüßt und gefördert wurde, bedroht jetzt das Öko-Herzstück, den Bio-Landbau! Schade, dass man empört-frustriert mit den schlechten Nachrichten allein gelassen wird, statt mit dem Hinweis zur Abhilfe aufgerufen zu werden: Wir können etwas tun, diesem Trend etwas entgegensetzen! Statt in Biogas zu investieren, können wir durch Beteiligung am Bio-Bodenfonds der GLS-Bank langfristig Land für Biolandbau sichern und Biobauern eine bezahlbare Pacht ermöglichen. Je mehr Menschen mitmachen, desto mehr Land kann für den Biolandbau aufgekauft werden. Der Bedarf an Biolebensmitteln kann noch lange nicht von deutschen Bauern gedeckt werden, und viele junge Biobauern suchen eine Scholle! SABINE MIEHE, Marburg

Frühling fast überall erfroren

■ betr.: „Vorbild für die ganze Region“, taz vom 28. 1. 14

Reiner Wandlers Kommentar zur Verabschiedung der Verfassung in Tunesien ist ein schönes Beispiel für Wunschdenken verbunden mit Amnesie. Schon 2011 war Tunesien das Vorbild für die ganze Region. Der Arabische Frühling hatte dort ja begonnen. Der ist nun fast überall ziemlich erfroren. Und ob die neue Verfassung, die ihre Entstehung im Wesentlichen der Politik des Autokraten Habib Bourgiba verdankt, wirklich funktioniert, wird man erst nach den nächsten Wahlen einschätzen können. HANS-BERND ZÖLLNER, Hamburg

Ein Recht, das nicht entbehrlich ist

■ betr.: „Müssen Kleine klagen?“, taz vom 28. 1. 14

Das Recht der Opposition, die von einer Regierungsmehrheit im Bundestag verabschiedeten Gesetze in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) überprüfen lassen zu können, ist für unseren Rechtsstaat von großer Bedeutung. Dass von diesem Recht nur selten Gebrauch gemacht wird, belegt nicht die Entbehrlichkeit dieses Rechts, sondern zeigt, dass von diesem nur in besonders wichtigen Fällen Gebrauch gemacht wird. Die Quote der auf diesem Wege vom BVerfG festgestellten Verfassungsverstöße liegt weit über dem Durchschnitt. Wird ein Gesetz in Karlsruhe bestätigt, beendet dies andernfalls noch jahrelange laufende Diskussionen und Klageverfahren vor den „einfachen“ Gerichten.

Christian Rath verkennt, dass Bürgerinnen und Bürger erst nach einem jahrelangen Gerichtsverfahren durch den gesamten Instanzenzug die Möglichkeit haben, eine Gesetzeskontrolle durch das BVerfG zu beantragen. Es ist daher ein wichtiges und wesentlichen Gut des Rechtsstaats, dass die Opposition die Entscheidung aus Karlsruhe unmittelbar beantragen kann (die Verfahren dauern freilich auch dann zwischen ein und zwei Jahren).

DIRK TESSMER, Frankfurt am Main