: Hitzefrei für Atomkraftwerke
Alle Reaktoren an Elbe und Weser drosseln ihre Leistung, weil das Wasser der Flüsse nicht mehr zum Kühlen taugt. Zweites atomares Zwischenlager gestern am Meiler Krümmel fertig gestellt. Nächster Castor-Transport rollt dennoch
Schleswig-Holsteins zweites atomares Zwischenlager ist fertig gestellt: Im Atomkraftwerk Krümmel bei Geesthacht (Kreis Herzogtum Lauenburg) sollen künftig bis zu 80 Castor-Behälter mit Fassungsvermögen von je 52 abgebrannten Brennelementen verwahrt werden. Das teilte die für die Atomaufsicht zuständige Kieler Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) gestern mit.
Zugleich haben gestern alle drei Atomkraftwerke des Landes ihre Leistung gedrosselt – wegen des warmen Wetters. Nach Angaben des Betreibers Vattenfall wurde die Leistung in Krümmel um 25 Prozent zurückgefahren, in Brunsbüttel um 20 Prozent. Die Stromversorgung sei durch die verringerte Leistung nicht gefährdet. Der Konzern E.on fuhr den Reaktor Brokdorf und den Meiler Unterweser in Niedersachsen ebenfalls herunter.
Grund für die Leistungsreduzierungen bei den norddeutschen Atommeilern ist das zu warme Flusswasser in Elbe und Weser, das als Kühlwasser für die Anlagen verwendet wird. „Das Wasser, das wir nach der Nutzung wieder in den Fluss leiten, darf nicht wärmer sein als 30 Grad. Da die Elbe aber schon etwa 26 Grad warm ist, ist der Spielraum inzwischen zu klein geworden“, sagte ein Vattenfall-Sprecher.
Für die Kraftwerke selbst sei das wärmere Kühlwasser aber kein Problem. Betroffen von der Hitze sind alle Atom-, Gas- und Kohlekraftwerke, die keine Kühltürme haben und deshalb auf Flusswasser angewiesen sind.
Im Atomkonsens im Jahr 2000 hatten die damalige rot-grüne Bundesregierung und die vier größten Energiekonzerne Deutschlands vereinbart, ab Juli 2005 in den Plutoniumfabriken La Hague (Frankreich) oder Sellafield (Großbritannien) keine abgebrannten Brennelemente mehr aufarbeiten zu lassen. Stattdessen sollten sie bis zu einer Endlagerung zunächst in Zwischenlagern auf den Reaktorgeländen gesammelt werden. Ein solches Depot existiert seit Februar im Atomkraftwerk Brunsbüttel, für Brokdorf gibt es einen Antrag auf Genehmigung.
Durch diese Maßnahme sollen die Transporte der abgebrannten Brennstäbe in die Wiederaufarbeitungsanlagen entfallen. Zudem wird so vermieden, weiteres Plutonium zu produzieren, das bei der Aufarbeitung entsteht.
Dieser extrem radioaktive Grundstoff für Atombomben wird bislang in Castorbehältern regelmäßig unter großen Protesten von Atomkraftgegnern ins Zwischenlager Gorleben im Wendland verfrachtet. Solche Transporte werden noch mindestens ein Jahr lang andauern, der nächste ist für November diesen Jahres terminiert.
Zwar machten die Zwischenlager an den Standorten der Kraftwerke diese Transporte auf Dauer überflüssig, erklärte Trauernicht. Die Bundesregierung müsse jedoch rasch ein Endlager schaffen. Der vom Bund eingesetzte „Arbeitskreis Auswahlverfahren Endlagerstandort“ habe seinen Abschlussbericht immerhin bereits Ende 2002 vorgelegt. Zurzeit lässt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) mehrere Standorte in Deutschland daraufhin prüfen, ob sie als Endlager für den strahlenden Müll in Betracht kämen.
„Abgebrannte Brennelemente müssen dauerhaft und sicher endgelagert werden“, beteuerte Trauernicht. Die oberirdische Zwischenlagerung sei und bleibe aber nur „eine Zwischenlösung“. Die Sorgen der Bevölkerung, aus den oberirdischen Hallen könnten auf Dauer faktisch Endlager werden, „müssen ernst genommen werden.“ SVEN-MICHAEL VEIT