Whiskey, Whistle und Winseln

IRISH FOLK-PUNK Nach knapp 20 Jahren spielen die irischen Folk-Punk-Begründer „The Pogues“ wieder in Originalbesetzung – mit ihrem trinkfesten Sänger Shane MacGowan

Herzerwärmender, berührender und liebevoller fällt niemand von der Bühne

VON ROBERT MATTHIES

Es ist ein wenig wie im Märchen vom Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel. Shane MacGowan singt davon, dorthin zu gehen, wo der Whiskey in Strömen fließt. Ganz offensichtlich aber ist er dort schon lange, lange angekommen – nach Selbstauskunft ist der 53-Jährige seit seinem zehnten Lebensjahr Gewohnheitstrinker.

Die Liaison mit dem Weingeist hat tiefe Spuren hinterlassen. Aufgedunsen und dickbäuchig sei der „Pogues“-Sänger mit dem notorischen reziprok-proportionalen Verhältnis von Zähnen im Mund und Worten, die aus ihm herauskommen, geworden, befand die Washington Post nach einem Konzert vor zwei Jahren. Mit seiner grummelnden Reibeisenstimme aber verweise der Ire aus dem englischen Kent noch immer jede winselnde Banshee vom Platz.

Das unkritische Verhältnis zum hochprozentigen Malzgetränk und allerlei anderen Uppern und Downern bis hin zum Heroin war es aber auch, das MacGowans Mitstreiter Anfang der 90er, auf dem Höhepunkt ihrer Karriere, bewogen hat, ihren Songwriter selbst vom Platz zu stellen: Nachdem der Komatrinker während eines Konzerts in Tokio von der Bühne gefallen war, war das Maß voll. MacGowan flog aus der 1982 gemeinsam mit dem Tin-Whistler Peter „Spider“ Stacy und dem Banjo-Spieler Jem Finer gegründeten Band. Die restlichen Mitglieder versuchten es für ein paar Jahre mit dem „The Clash“-Sänger Joe Strummer, konnten aber ohne das torkelnde Mastermind nicht mehr an die alten Erfolge anknüpfen. Als auch Jem Finer 1996 nach dem kommerziell katastrophalen siebten Album „Pogue Mahone“ ausgestiegen war, hat auch der Rest das Handtuch geworfen.

Länger als fünf Jahre währte die Auszeit aber nicht. 2001 und 2004 haben die „Pogues“ wieder ein paar Konzerte in Irland und Großbritannien gespielt, ein Jahr später ging es sogar auf Japan-Tour und Ende 2005 stand auch MacGowan wieder als Sänger der achtköpfigen Band auf der Bühne.

Am Mittwoch sind „The Pogues“ nun das erste Mal seit knapp 20 Jahren auch in Hamburg wieder in der Originalbesetzung zu erleben. Neue Songs wird es nicht zu hören geben, ein neues Album wird es nicht mehr geben: der Einsicht wegen, dass man die einstige Größe ohnehin nie mehr erreichen wird. Echte Fans wird das wenig kratzen. Denn auch wenn MacGowan bei Klassikern wie „Fairytale of New York“ oder „A Rainy Night in Soho“ von der Bühne fällt oder sich in die erste Reihe erbricht, wie im Olympia Theatre in Dublin: herzerwärmender, berührender und liebevoller kann das bis heute ganz bestimmt niemand.

■ Mi, 4. 8., 20 Uhr, Freilichtbühne im Stadtpark, Saarlandstraße