: Unheimlich gewöhnlich
KUNST Andreas Slominski überlässt es seinem Publikum, sich grauslige Gedanken zu machen. Eine Ausstellung in Bremen zeigt das an ausgewählten Exponaten
VON RADEK KROLCZYK
In der großen Eingangshalle der Bremer Kunsthalle steht ganz einsam und verlassen ein seltsamer Ofen aus angerostetem Metall. Daneben hat jemand einen Haufen Äste aufgeschichtet. Wir befinden uns am Anfang der Ausstellung von Andreas Slominski. Der Ofen bietet einen sehr beruhigenden Anblick, denn draußen ist es kalt. Man sieht vom Ofen aus durch die gläserne Eingangsfassade den Schnee fallen.
An den Wänden der Halle jedoch erstreckt sich rund um den Ofen in leuchtenden Farben der „Jardim Botânico“ in Rio de Janeiro, der britischen Künstlerin Sarah Morris. Ein Ofen im botanischen Garten? Mitten in Brasilien? Eine interessante Setzung von Kuratorin Sabine Maria Schmidt.
Beim genaueren Betrachten der Ofensituation, merkt man, dass es sich bei dem geschichteten Brennholz um Astgabeln handelt. Und in der Tat hat auch der „Ofen zum Verbrennen von Astgabeln“, wie Slominski sein Objekt betitelte, die Form einer Astgabel. Man könnte die sperrigen Hölzer auch zerhacken, um sie in den Ofen zu bekommen. Slominski allerdings zieht es vor, die Äste ganz zu lassen und den Ofen an ihre Bedürfnisse anzupassen – um sie schlussendlich dann doch zu verbrennen.
Eine ähnliche Strategie wendet Slominski bei einer anderen Arbeit an, die in der Ausstellung zu sehen ist. Auf einem Wandsockel liegt ein zusammengeklappter Zollstock, eine Auflagenarbeit des Künstlers. Daneben nun lehnt fast unmerklich eine meterlange Versandrolle. Slominski hatte seinen Zollstock ausgeklappt verschickt.
Zu sehen gibt es eher wenig in der Bremer Ausstellung. Aber wann gäbe es bei Slominski schon viel zu sehen? Seine Arbeiten leben von der Vorstellungskraft der Betrachter. In der Kunsthalle gibt es ein Paar Lebensmitteldosen, etwas Besteck und einige seiner berühmten Tierfallen. Es handelt sich dabei meist um Readymades. Readymades allerdings, die Fragen aufwerfen, irritieren, verstören oder böse sind.
So etwa ein harmloses kleines Fläschchen auf einem Sockel, gefüllt mit einem schwarzen Pulver. „Wiener Schwarz“ steht auf dem Etikett. Ein Farbpigment aus dem Künstlerbedarfsladen? Sicherlich. Bei den Inhaltsstoffen allerdings wird’s unheimlich: „Beinschwarz aus Lipizzaner-Knochen der spanischen Reitschule“. Slominski zeigt gern und oft das Unheimliche im Gewöhnlichen.
Und manchmal gar bringt er das Unheimliche zum Vorschein, ganz ohne etwas zu zeigen. Zum Beispiel 1991 im Kabinett für aktuelle Kunst in Bremerhaven. Damals fanden die Besucher der Ausstellungseröffnung einen leeren Raum vor. Es hieß, Slominski habe hier einen abgetrennten Arm in die Wand eingemauert. Anschließend habe er alles sauber verputzt und neu gestrichen. Zunächst wurde abgewiegelt. Wer sollte denn das glauben? Weil aber nichts da war auf diesen 35 Quadratmetern als diese Geschichte, musste man ihr schließlich irgendwann wenigstens nachgehen. Was wäre einem sonst übrig geblieben? Der Unglaube verwandelte sich allmählich in Unsicherheit und Unbehagen. Und so begannen die Besucher allmählich die Wände zu betrachten und mit den Augen nach Unebenheiten abzutasten. Könnte hier nicht etwas versteckt sein? Sieht die Farbe hier nicht frischer aus als sonst im Raum? Hört sich die Wand an dieser Stelle nicht ein wenig hohl an?
Auch zwei von Slominskis berühmten Tierfallen befinden sich in der Sammlung von Bärbel und Manfred Holtfrerich, aus der sich die Ausstellung speist. In einem ansonsten leeren Raum der Kunsthalle stehen eine Falle für Vögel und eine für Katzen nebeneinander auf dem Boden. Wie seltsam, ist doch die Katze selbst schon eine Art Vogelfalle. Hier aber ist sie genauso gefährdet wie der Vogel. Beute und Opfer werden gleich.
Die Vogelfalle besteht aus zwei aufeinandergetürmten riesigen Dosen für Kichererbsen und schwarze Oliven. Als Falle ist der Bau zunächst nicht zu erkennen. Auf dem Deckel der oberen Dose ist Vogelfutter platziert. Dieser Deckel ist nur an einem durchgängigen Stift befestigt. Wenn ein Vogel darauf landen würde, risse ihn sein Gewicht in das Innere der blechernen Falle. Der Deckel öffnet und schließt sich wieder. Der Vogel wäre gefangen.
Die Katzenfalle ist weit schwieriger zu durchschauen. Sie ist ein breiter, niedriger Käfig. Sein Inneres teilt sich in Korridore. Ein wirrer Mechanismus aus Streben und Federn durchzieht den Bau. Es scheint, als würde die Katze am Ende zwischen Boden und Decke zerquetscht werden.
Diesen brutalen Vorgang im Kopf durchzuspielen, ja, auf ihn überhaupt zu kommen, überlässt Slominski allerdings seinem Publikum. So wie den abgetrennten Arm in Bremerhaven.
■ bis 27. April, Kunsthalle Bremen