Das Heute im Gestern

BERLIN Wir reden über steigende Mieten, Verdrängung und Wohnungsnot. Das Thema beherrschte Berlin schon vor über 30 Jahren. Es war die erste Welle der Hausbesetzer. Ein Fotoband dokumentiert diese Zeit

Natürlich gibt es Unterschiede zu damals: Die Sache mit dem Leerstand hat sich quasi erübrigt

VON ANNE HAEMING

Die Fenster sind zugemauert, die Hofeinfahrt auch. „Gegen teure Modernisierung INSTANDBESETZT“ hat jemand daraufgeschrieben. Im Schnee ein Bauwagen, darauf gesprayt der Spruch: „Häuserklau statt Gesobau“.

Die Fotos sind über 30 Jahre alt. Aber sie könnten genauso aktuell sein, denn seit Monaten geht es in Berlin genau darum: Wohnungsnot, Verdrängung, nonstop steigende Mieten, die Frage, ob am Tempelhofer Feld Wohnraum entstehen soll und zu welchem Preis, die Frage, wo und wie die Flüchtlinge unterkommen, und nun auch noch der aktuelle Wohnungsmarktreport: Die Mietpreise im Zentrum, heißt es da, seien inzwischen höher als in Köln und Düsseldorf.

Wie sich das Heute im Gestern spiegelt, ist verblüffend, wenn man den Bildband „Häuserkampf im Berlin der 1980er“ durchblättert. Fotograf Lothar Schmidt, Jahrgang 1950, begleitete damals Besetzer in Kreuzberg und Schöneberg und dokumentierte ihren Alltag zwischen bröckelnden Wohnungen, Kohleöfen, Demonstrationen und einer Zeltwache in der Winterfeldtstraße, die man auf den ersten Blick für eine Schwarzweißaufnahme des Oranienplatzes im Jahr 2014 halten könnte.

Natürlich gibt es Unterschiede zu damals: Die Sache mit dem Leerstand hat sich quasi erübrigt. Und der Furor äußert sich mittlerweile per Volksbegehren.

Wie fern bestimmte Momente scheinen, obwohl wir heute scheinbar noch das gleiche Problem debattieren, zeigen andere Bilder: Wände aus Feuer blockieren die Sicht, Barrikaden türmen sich, das meiste ist unscharf wegen der simmernden Hitze in der Luft, Autos liegen auf dem Dach. Es ist nicht Kiew, nicht Syrien und auch nicht das Hamburger Gefahrengebiet. Sondern Schöneberg 1980.

■ Lothar Schmidt: „Häuserkampf im Berlin der 1980er“, Berlin Story Verlag 2013, 19,95 Euro