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TEMPELHOFER FELD

Beim Volksentscheid über das Tempelhofer Feld gibt es erstmals das Dilemma, dass man sich als Wähler zwischen zwei Optionen entscheiden muss, obwohl viel mehr denkbar wären. Auf dem Wahlzettel stehen die Alternativen 58 Hektar Bebauung (wie vom Senat gewollt) und 0 Hektar (wie von den Initiatoren gewollt). Und was bitte soll man ankreuzen, wenn man 29 Hektar für richtig hält?

Bislang gab es das Problem so nicht. 2009 ging es darum, ob Religion an den Schulen Wahlpflichtfach werden oder der Unterricht wie bis dahin freiwillig bleiben sollte. Da muss man sich einfach entscheiden, einen Kompromiss gibt es nicht. Das galt auch für die Frage, ob die Privatisierungsverträge der Wasserbetriebe geheim bleiben oder offengelegt werden sollten. Auch ein Öko-Stadtwerk, wie der Energietisch es fordert, kann man nur gründen oder nicht gründen, und Tempelhof gab es als Flughafen nur ganz oder gar nicht.

Im Jahr 2008 gab es übrigens 530.000 Stimmen für den Flughafen; das waren 60 Prozent der Teilnehmenden. Das Quorum wurde aber um 80.000 verfehlt. Wäre das Ergebnis der Abstimmung damals bindend gewesen, brauchte es jetzt keine neue Abstimmung mehr, weil die Fläche zu 0 Prozent Park und zu 100 Prozent Flughafen wäre.

Dank des hohen Quorums bei Volksentscheiden hat Berlin jetzt jedenfalls einen neuen riesigen Park und kann diskutieren, wie viel davon bebaut werden sollte. Und weil zwei Optionen bei so einer Frage viel zu wenige sind, sollte das Verfahren dringend geändert werden. Dann trägt jeder einfach ein, wie viel Prozent der Fläche geschützt bleiben sollte. Die Landeswahlleiterin verkündet den Durchschnitt als amtliches Endergebnis, und der Rest wird bebaut. Das ist innovativ, bürgerfreundlich, radikaldemokratisch und außerdem gut für die Gesundheit, weil sich niemand mit Bauchschmerzen für einen faulen Kompromiss entscheiden muss. SEBASTIAN HEISER