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Archiv-Artikel

dresden, kulturerbe etc. Ist doch gar nicht nur bewahrend!

Der Dresdner Stadtrat hat die Notbremse gezogen und in letzter Minute mit rot-rot-grüner Mehrheit den Baubeginn für die Waldschlösschen-Brücke über die Elbe gestoppt. Schon des Projekt der Brücke in seinen jetzt geplanten Ausmaßen hat die Unesco auf den Plan gerufen: Am 11. Juli 2006 setzte sie das Weltkulturerbe Elbtal auf die „rote Liste“ gefährdeter Stätte.

Die Vollbremsung der Dresdner Volksvertreter folgt ökonomischen Rücksichten. Denn die Touristenströme, vornehmlich die aus Ostasien, pilgern an der Kette der Weltkulturerbe-Stätten entlang. Das Dresdner Elbtal verfügt hier als Kreuzungspunkt zweier Kulturerbe-Routen über einen optimalen Standort. Dummerweise steht dem endgültigen Baustopp ein Volksentscheid der Dresdener Bürgerschaft für den Bau der Waldschlösschen-Brücke entgegen. Die Brücke sollte dem Pendlerverkehr Erleichterung bringen. Dieser Entscheid erfolgte vor der ersten Intervention der Unesco. Später versuchte der (jetzt suspendierte) Dresdner Oberbürgermeister, den Streit mit der Unesco als „Kommunikationsproblem“ herunterzuspielen. Richtig brenzlig wurde es erst im April dieses Jahres, als das von der Unesco in Auftrag gegebene Gutachten des Stadtplaners Kunibert Wachten bekannt wurde. Darin heißt es: „Die Waldschlösschenbrücke zerschneidet den zusammenhängenden Landschaftsraum des Elbbogens an der empfindlichsten Stelle und teilt ihn irreversibel in zwei Hälften.“

Der Kollege Tobias Rapp hat an dieser Stelle kürzlich zu Recht einen rein bewahren wollenden Kulturbegriff hinterfragt (taz vom 12. 7.). Aber in diesem konkreten Fall trifft er gar nicht zu. Keineswegs folgte die Intervention der Unesco einem konservativen, nur am Erhalt bestehender Kunstwerke orientierten Kulturbegriff. Sie definierte das Dresdner Elbtal als „sich entwickelnden Kuturraum“, der Baudenkmäler ebenso einschließt wie modernen Wohnraum, aber zugleich bestand sie auf der auch visuellen Einheit des Kulturraums. Vor Dresden haben schon Potsdam und Köln versucht, solche sinnvollen Auflagen zu umgehen – vergeblich. Jetzt ist Dresden mit einem raschen Rückzug an der Reihe. Ein bezahlbares Alternativprojekt, die Untertunnelung der Elbe, steht bereit.

CHRISTIAN SEMLER