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Archiv-Artikel

„Der Schlächter“ entgeht seinem Prozess

In Kambodscha stirbt der Exkommandeur der berüchtigten Roten Khmer, Ta Mok, vor Beginn seines Prozesses

BANGKOK taz ■ Der frühere Militärchef der Roten Khmer, Ta Mok, ist gestern früh in einem Militärkrankenhaus in Phnom Penh gestorben, ohne nach mehrtägigem Koma das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Das erklärte gestern der Anwahl des 82-Jährigen. Der Einbeinige, der wegen seiner Brutalität auch „Der Schlächter“ genannt wurde, sollte einer Hauptangeklagten im anstehenden Gerichtsprozess gegen die Terrorherrschaft der Roten Khmer (1975 bis 1979) sein.

Das aus einheimischen und internationalen Anklägern und Richtern bestehende UN-Tribunal zur Aufarbeitung des Völkermordes in Kambodscha hatte erst vor knapp zwei Wochen formell seine Arbeit begonnen. Vor diesem Tribunal, um dessen Einrichtung lange gerungen worden war, sollte sich Ta Mok zusammen mit dem ebenfalls in Haft sitzenden Exleiter des Foltergefängnisses Tuol Sleng, Kaing Khek Iev (genannt Duch), ab Mitte 2007 verantworten. Der Prozess war auf drei Jahre angesetzt.

Der Rote-Khmer-Führer Pol Pot war bereits 1998 gestorben, seine Stellvertreter Nuon Chea, Exstaatschef Khieu Samphan und Exaußenminister Ieng Sary leben bis heute unbehelligt in Kambodscha.

Ta Mok hatte in den 40er-Jahren im antifranzösischen und antijapanischen Widerstand gekämpft. Eine buddhistische Priesterlehre brach er ab und schloss sich in den 60er-Jahren den maoistischen Roten Khmer an. Während ihrer Schreckensherrschaft war er für etliche Massaker verantwortlich.

In den knapp vier Jahren des Terrorregimes wurden schätzungsweise 1,7 Millionen Kambodschaner ermordet. Nach ihrer Entmachtung kämpften die Roten Khmer zunächst mit Unterstützung Chinas und der USA bis Ende der 90er-Jahre einen Guerillakrieg gegen die zuerst von Vietnam eingesetzte Regierung in Phnom Penh.

Ta Moks Machtposition blieb zunächst ungebrochen. Von seinem Stützpunkt Anlong Veng kontrollierte er wichtige Gebiete im Norden des Landes. 1997 jedoch verschärften sich die internen Machtkämpfe. Ta Mok verlor an Einfluss und wurde 1999 verhaftet.

Jetzt ist sein Tod ein herber Rückschlag für die juristische Aufarbeitung des Völkermords. Ein Sprecher des UN-Tribunals bedauerte gestern, dass mit Ta Mok „eine der wichtigsten Informationsquellen“ gestorben sei.

Damit bewahrheiten sich die Befürchtungen von Kritikern, die die 30-jährige Verschleppung des Prozesses moniert haben, so dass den Anklägern nicht mehr genug Zeit bleibt, die Haupttäter juristisch zu belangen. „Wir befürchten, dass diejenigen, die für die Morde verantwortlich sind, einer nach dem anderen sterben“, sagte Dina Nay, Direktorin des „Khmer Institute of Democracy“ in Phnom Penh erst kürzlich der taz.

NICOLA GLASS