Ein Kanal, den niemand braucht

Wirtschaft und Landtag in Sachsen-Anhalt wollen unbedingt einen Elbe-Saale-Kanal. Unwirtschaftlich und ökologisch verheerend, sagen Grüne und Umweltschützer

DRESDEN taz ■ Binnenschiffe sind in heißen Sommern auf der Saale ein seltener Anblick: Gerade mal 8.000 Tonnen Güter wurden auf dem Fluss in Sachsen-Anhalt im letzten Rekordsommer im Jahr 2003 per Schiff befördert. 35 Jahre zuvor waren es noch 280.000 Tonnen gewesen.

Dessen ungeachtet soll im Raum Schönebeck, wo die Saale in die Elbe mündet, ein 7,5 Kilometer langer Seitenkanal gebaut werden. Er soll die Mäander im Mündungsgebiet abkürzen und eine Schiffbarkeit mit dem so genannten Europaschiff von 1.350 Tonnen Nutzlast ermöglichen. Befürworter des Kanals hoffen, dass damit der Gütertransport auf der Saale auf 1,3 Millionen Tonnen jährlich steigt.

Grüne und Umweltschutzorganisationen wie der BUND haben den Elbe-Saale-Kanal stets als „ökologisch verheerend und ökonomisch unsinnig“ bezeichnet. Sie halten die Hoffnungen der Befürworter für utopisch und verweisen auf Kanalbauten in Westdeutschland, die ebenfalls unter den Erwartungen zurückblieben. Im Landtag von Sachsen-Anhalt will dennoch eine Mehrheit von CDU, SPD und FDP bei der Bundesregierung auf den Bau des Kanals drängen, der seit 2003 mit „vordringlichem Bedarf“ im Bundesverkehrswegeplan steht.

CDU-Verkehrsexperte André Schröder hält den Kanal für nötig, weil der Containerumschlag im Hamburger Hafen sehr stark zunehmen werde. Deshalb könnten auf Elbe und Saale viel mehr Güter transportiert und hunderttausende Lastwagenfahrten eingespart werden.

Die Grünen in Sachsen-Anhalt sehen den Bau des Elbe-Saale-Kanals vor dem Hintergrund eines noch größeren Projekts: Denn der kleine Kanal könnte den ebenfalls umstrittenen Ausbau der Elbe legitimieren. Ohne eine ganzjährige uneingeschränkte Schiffbarkeit der Elbe mache der Elbe-Saale-Kanal keinen Sinn, argumentieren die Grünen.

Hier war es 2004 zum offenen Streit mit dem Bundesverkehrsministerium gekommen, dem die Umweltschützer geschönte Zahlen vorwarfen. Ernst Paul Dörfler vom BUND rechnete vor, dass die Elbe schon jetzt an mindestens 100 Tagen im Jahr die geforderte Fahrrinnentiefe von 1,60 Metern nicht erreicht.

Das Bundesverkehrsministerium teilte nun auf Anfrage der taz mit, dass man sich mit dem Land Sachsen-Anhalt auf die Einleitung eines Raumordnungsverfahrens verständigt habe. Auch das Magdeburger Verkehrsministerium bestätigte, dass dafür eine Faunadatenerhebung und eine Biotopkartierung begonnen haben. Das Verfahren wird aber erst 2008 abgeschlossen sein. Erst danach, so das Berliner Ministerium, werde über das weitere Vorgehen und die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens entschieden.

Dem sieht der grüne Bundestagsabgeordnete Peter Hettlich gelassen entgegen. Noch seien im Bundeshaushalt die geplanten Baukosten von 90 Millionen Euro nicht zu entdecken. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Geld in ein so windiges Projekt gesteckt wird.“ Bei insgesamt einer Milliarde Euro, die in den nächsten elf Jahren für Wasserstraßen geplant sind, hätte beispielsweise die Reparatur des Nord-Ostsee-Kanals Vorrang. Außerdem schaue der Westen inzwischen misstrauischer auf solche verfehlten Infrastrukturprojekte, die wie „weiße Elefanten“ in der ostdeutschen Landschaft stünden.

Vielleicht aber soll der Magdeburger Landtagsbeschluss auch nur die Schifffahrtslobby besänftigen. Denn nahezu zeitgleich erhielt das Aktionsbündnis Elbe-Saale, das sich unter anderem vehement gegen den Kanal ausspricht, den von der Umweltstiftung Sachsen-Anhalt verliehenen Landesumweltpreis 2006. MICHAEL BARTSCH