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Archiv-Artikel

Elbtal wird noch keine Baustelle

Der Dresdner Stadtrat vertagt die Vergabe von Bauaufträgen für die umstrittene Waldschlösschenbrücke. Während die CDU auf Konfrontation mit der Unesco setzt, will die Mehrheit Alternativen prüfen. Umfragen: Brücken-Befürworter in der Minderheit

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Im Streit mit der Unesco über die Verträglichkeit des Weltkulturerbe-Titels mit einem geplanten Elbbrückenbau hat der Dresdner Stadtrat am Donnerstagabend eine weitere Eskalation vermieden. Mit 38 zu 30 Stimmen wurde ein CDU-Antrag abgelehnt, sofort mit dem Bau der Waldschlösschenbrücke zu beginnen und damit den Bürgerentscheid vom Vorjahr umzusetzen. Auf der Tagesordnung der Sondersitzung stand ursprünglich die Vergabe der ersten Bauaufträge für die Brücke im Wert von 60 Millionen Euro.

Dazu kam es nicht. Der SPD-Antrag, einen neuen Bürgerentscheid herbeizuführen, scheiterte zwar an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Angenommen wurden aber Anträge der Linken und der Grünen, einen solchen Bürgerentscheid zu prüfen und die Stadtverwaltung zu beauftragen, weitere Optionen einer Elbquerung nur in Abstimmung mit der Unesco zu planen.

In der Vorwoche hatte das Welterbekomitee der Unesco bei seiner Tagung in Vilnius das Dresdner Elbtal auf die „Rote Liste“ gesetzt und die weltweit bislang einmalige Aberkennung des Titels angedroht, sollte die Brücke gebaut werden. Ein Gutachten hatte zuvor von einer „irreversiblen Zerstörung“ der geschützten Elblandschaft in der Stadt gesprochen. Birgitta Ringbeck, die als Vertreterin der deutschen Kultusministerkonferenz in Vilnius weilte, stellte in der Stadtratssitzung klar, dass „jede Brücke gleich welcher Form an dieser Stelle“ vom Komitee abgelehnt werde.

Ausgerechnet die sich sonst konservativ gerierende Union wollte dennoch mit dem Kopf durch die Wand und setzte mit ihrem Baustart-Antrag auf Konfrontation mit der Unesco. Zuvor hatten schon die Dresdner CDU-Bundestagsmitglieder Arnold Vaatz und Andreas Lämmel der Weltorganisation Erpressung vorgeworfen. „Die Bürger Dresdens sind die letzten, die von irgendeiner Weltregierung Nachhilfeunterricht in ästhetischen Fragen nötig hätten“, erklärten sie.

Dieser schon sprichwörtliche provinzielle Autismus, den die FDP teilt, bot sowohl den Grünen im Stadtrat wie auch anderen Brückengegnern eine Angriffsfläche. Seit einer Woche befindet Dresden sich praktisch im verbalen Bürgerkrieg, obschon eigentlich der Höhepunkt der Feiern zum 800. Stadtjubiläum ansteht. Brückenbefürworter verweisen auf die Zweidrittelmehrheit für den Bau beim Bürgerentscheid und eine angebliche Verkehrsnotwendigkeit. Bei den Brückengegnern spielen nun nicht mehr die ökologischen, finanziellen und verkehrspolitischen Argumente die Hauptrolle, sondern Ästhetik und der drohende Imageverlust der Stadt. Praktisch die gesamte Dresdner Kulturprominenz spricht sich für den Verzicht auf die Brücke oder für die Alternative, einen Tunnel, aus. Auch Umfragen signalisieren, dass inzwischen nur noch eine knappe Hälfte der Dresdner für den Brückenbau stimmt.

CDU und FDP aber ignorieren den Stimmungsumschwung. Ihr Erpressungsvorwurf gegenüber der Weltorganisation verkennt auch, dass die sächsische Landeshauptstadt vor zehn Jahren bereits erpresst wurde – von der Regierung Biedenkopf. Fördermittel des Landes, die den Großteil der 157 Millionen Euro teuren Brücke ausmachen, wurden ausschließlich für diesen Standort und dieses Modell zugesagt.

Eine Moderation in diesem Konflikt hatte Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) abgelehnt: Es handele sich um eine „kommunale Angelegenheit“. Das sehen nicht alle so: Immerhin sei die Bundesrepublik und nicht die Stadt Vertragspartner der Unesco, erklärte KMK-Vertreterin Birgitta Ringbeck. Mithin müsse ganz Deutschland eine „nationale Schande“ hinnehmen.