NACHTSCHWÄRMEN ZWISCHEN BAR 25 UND RITTER BUTZKE INMITTEN VON TOURISTEN
: Uros kauft mir einen Drink

VON JAN KAGE

Lizenzen laufen aus. Auch die Lizenz zum Gelddrucken und so ist es nur richtig, dass man auch diesen Sommer ein paar Scheine zum wieder einmal letzten Mal in die Bar 25 trägt. Die Bar ist der momentan einzige Ort in Berlin, an dem einen der Besucherschnitt von 90 Prozent Touristen nicht völlig irre macht. Das hält man gut aus, anders als im Wrangelkiez, wo die cleanen Schweden und die aufgedrehten US-Amerikaner auch die letzten türkischen und deutschen Idiome aus dem Straßenklang verdrängen.

Es ist immer dieselbe Szene, die zu Kunst feiert. Hannes Gruber hat ein paar Künstler eingeladen im Birkenhain der Bar 25 Skulpturen zu zeigen und so steht das gleiche Volk, das auch Montags in der Bar der Temporären Kunsthalle und Mittwochs in der King Size Bar sozialisiert mit dem Beck’s in der Hand und amüsiert sich. Um die Ecke richtet Jan Phillip Sexauer, im Brotberuf Anwalt, seine „Night of the Pawn“ aus, ein Schachturnier, dessen Spielerpool sich aus dem gleichen Personal speist, wie Grubers „Der Kabinettschrank des Doktor W.“ Zehn Bretter in einer Reihe.

Die Schachuhr tickt

Man spielt zur tickenden Schachuhr, die Gewinner tragen das Finale dann auf dem großen Feld vor Publikum aus. Auffallend ist, dass hier eigentlich nur Männer Schach spielen. Uros Djurovic kauft mir einen Drink und wird vom Barmann für sein unkorrektes Vokabular gemaßregelt.

Das schöne am Sommer ist ja, das man alles Draußen machen kann und das permanent. Essen, trinken, Kunst gucken. In der Bar 25 kontere ich den leichten Kater vom Donnerstag. „Zirkus Halligalli“ im Kubikhof Ritter Butzke. Einmal die Woche ein DJ, ein Liveact, ein Poet und eine Skulptur. Der Architekt und Künstler Nikolai Kaindl hat seine morphende Bretter-Installation aufgebaut und ab einem gewissen alkoholinduzierten Enthemmungsgrad beginnt das Publikum die Module der Skulptur zu rearrangieren.

Aber das gelungene Leben ist selbstverständliche das Vielseitige und weder Kunst allein noch Alkohol vermögen vollends auszufüllen. Am Samstag ist Roller Derby, ein Turniersport der von zwei Teams ausgetragen wird, die aus jeweils fünf Punkrockerinnen auf Discorollern bestehen. Mit Ellenbogen und Knieschonern, Helm auf dem Kopf und zerrissenen Netzstrumpfhosen. Die Berlin Bombshells deklassieren die Barockcity Derbys aus Ludwigsburg in der Arena. Ich moderiere mit den Rum Tonic in der Hand: „Und da fährt Blitzkrieg Baby von hinten an das Feld ran! Rein! Und duuurch! Duurch! Vorbei an Miss Handlung und …“

Und danach: Überall ist Kunst. Wieder in der Ritter Butzke. Im hinteren Raum wird in der Nacht zum Sonntag performt. Ich komm da nicht mehr rein. Das versteh ich nicht, will ich nicht verstehen. Es ist jetzt vier Uhr früh. Ich gehe auf den Mainfloor und freu mich über die zwei Franzosen von Nôze, die, obwohl sie im wesentlichen ihre Musik nur vom Laptop abzufahren scheinen und ab und zu einen EQ-Knopf drehen, vollkommen in ihren Klängen aufgehen. Mit nackten, behaarten Oberkörpern und entrücktem Lächeln malen sie ihre Sounds in die Luft und der Floor tanzt ab. Es ist heiß und schwitzig. Es ist Sommer und Draußen ist es auch gut: Shir Khan und DJ Jack Tennis legen im Hof Tanzmusik auf. Es wird hell. Mehr Bier und ein paar Vodka, um die Spannung noch ein bißchen aufrecht zu halten. Die Gesichter der Feiernden werden fahl, wenn das Tageslicht kommt. Aber im Sommer ist der anbrechende Morgen nicht das Ende der Nacht – nur eine andere Farbe. Und ein weiterer Tag.