: Es müsste so vieles ganz anders werden
KOLUMBIEN Juan Manuel Santos löst am Samstag seinen Vorgänger Álvaro Uribe im Amt des Präsidenten ab. Erwartet wird vom Neuen ein pragmatischer Umgang mit den Rebellen im Land und mit den Nachbarn
BOGOTÁ taz | Álvaro Uribe fällt der Abschied von der Macht schwer. Am Samstag wird der kolumbianische Präsident nach acht langen Jahren von seinem ehemaligen Gefolgsmann Juan Manuel Santos abgelöst. Dessen Versuche, bessere Beziehungen zu den Nachbarn Ecuador und Venezuela anzustreben, torpediert Uribe aber noch nach Kräften durch ständige Wortgefechte mit seinem venezolanischen Gegenpart Hugo Chávez. Die aufgewärmten Vorwürfe, Caracas biete 1.500 Guerilleros der „Bewaffneten Streitkräfte Kolumbiens“ (Farc) und des „Heeres zur nationalen Befreiung“ (ELN) Unterschlupf, lieferten dem Venezolaner vorletzte Woche den hochwillkommenen Anlass, die diplomatischen Beziehungen zu Kolumbien abzubrechen.
Santos hüllte sich seither in diplomatisches Schweigen und reiste quer durch Lateinamerika. Unterschiedlich fielen auch die Reaktionen auf das Gesprächsangebot von Farc-Chef Alfonso Cano an die neue Regierung aus. Während der gewählte Vizepräsident Kolumbiens Angelino Garzón prinzipiell Offenheit signalisierte, sah Uribe nur ein „abermaliges Täuschungsmanöver des Terrorismus“. Cano sei „ein Killer, der in den Zeitungen als Ideologe posiert“, sagte er am Sonntag vor Polizei- und Militärkommandanten in der Provinzhauptstadt Montería, „dabei schreibt er diese Ideologie mit der Hand, die durch die Morde an den Kolumbianern blutverschmiert ist“.
Der oberste Rebellenführer hatte in einer Videobotschaft neue Gespräche über ein Ende des bewaffneten Kampfes angeboten. Bei der Suche nach politischen Lösungen müsse es unter anderem um eine Landreform und den militärischen Einfluss der USA gehen, sagte Cano in Kampfmontur in dem 36-Minuten-Video. „Die Regierung will vor dem Land und der Welt verbergen, dass es hier einen komplexen Konflikt soziopolitischer Art gibt“, erklärte er in der auf Juli 2010 datierten Aufnahme. Allein im vergangenen Mai seien in 312 Kampfhandlungen mit den Farc 304 Soldaten oder Polizisten gefallen und 250 verletzt worden.
Santos’ Vize Angelino Garzón antwortete, vor einem möglichen Dialog müssten die Farc alle Entführten bedingungslos freilassen sowie „auf neue Entführungen, Terrorismus und Antipersonenminen verzichten“. Zudem sollten sie die Sinnlosigkeit ihrer Gewalt offen eingestehen. Der frühere Friedensbeauftragte Carlos Eduardo Jaramillo riet Santos zu Pragmatismus: Der neue Präsident solle auf das Angebot des Rebellenführers eingehen, allerdings außerhalb Kolumbiens und ohne den Farc dafür irgendwelche Vorteile einzuräumen.
Uribe hingegen, der seine immer noch hohe Popularität weitgehend einem kompromisslosen Kurs gegen die Farc verdankt, ist weiterhin strikt gegen Gespräche. Zu keinem Zeitpunkt habe man das venezolanische „Brudervolk“ angreifen wollen, ließ er zudem am Samstag erklären. Doch indem er Chávez erfolgreich provozierte, konnte er teilweise von zahlreichen innenpolitischen Skandalen ablenken, die das Ende seiner Amtszeit überschatten: den Lauschangriffen auf Richter, Staatsanwälte, Oppositionspolitiker und kritische Journalisten, der katastrophalen Menschenrechtsbilanz oder der Anschuldigung, sein Sohn Tomás habe bei der Verteilung begehrter Notarsstellen mitgewirkt. Nun gingen acht Jahre eines „personalisierten, mediatischen, konfrontativen und institutionsfeindlichen“ Regierungsstils zu Ende, freut sich die Soziologin Socorro Ramírez.
Ein Gipfel des Staatenbundes Unasur in Quito brachte keine Annäherung zwischen Kolumbien und Venezuela. Es besteht nur die vage Hoffnung, dass das unter Santos anders wird – vor allem für die Menschen entlang der 2.200 Kilometer langen Grenze. GERHARD DILGER