: Die Zugachse des Bösen
Jetzt wird auch er endlich gebaut: der Tramrapid. Der kleine Bruder des Transrapid
„Sacklzement, höher, höher, Bazi aus’gschamter!“ Der bayerische Wirtschafts- und Verkehrsminister Erwin Huber hat den feinen Zwirn gegen den Blaumann getauscht und dirigiert lautstark seine Bauarbeiterkolonne auf Münchens größter Baustelle. Hier ist er in seinem Element.
Während seine Männer in Rekordzeit die Betonstelzen für die erste deutsche Magnetschwebebahn in die Höhe ziehen, findet der listig dreinblickende Niederbayer Zeit für eine kleine Fachsimpelei, die zeigt, dass er sich tief in die Materie hineingefressen hat. Einmal angesprochen, referiert der umtriebige Minister stundenlang über die Vorteile deutscher Schwebetechnologie. „Die Rad-Schiene-Technik ist doch eine Technik von vorvorgestern.“ Wenn man Hightech-Huber zuhört, gewinnt man den Eindruck: herkömmliche Züge rollen für ihn auf den Achsen des Bösen.
Seine Männer nennen Erwin Huber, seiner zupackenden, hemdsärmligen Art wegen, „Commander Hu“. Wenn sich der sturschädelige Niederbayer etwas in den Kopf gesetzt hat, dann zieht er das durch. Mit nie nachlassender Tatkraft peitscht er seine Männer voran – er hat es sich zum Ziel gesetzt, dass die Münchner Schwebebahn schon nächstes Jahr über die Betontrasse rattern soll.
So richtig heiß auf die faszinierende Schwebetechnik wurde Huber während seines Chinabesuchs im Mai. In Schanghai wurde ihm das Glück zuteil, mit der Magnetschwebebahn Transrapid fahren zu dürfen. „Es war ein berauschendes Gefühl“, schwärmt Huber heute noch von dem Gleitflug mit Geschwindigkeiten von bis zu 431 Stundenkilometern. Mit der rasanten Fahrt wollte Huber ein Signal für den Bau der Transrapidstrecke vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen setzen: „München ist die letzte Chance für diese Technologie in Deutschland“, sagte Huber damals. Und machte das Projekt fortan zu seiner Herzensangelegenheit – gegen alle Widerstände.
Von allen Seiten wurden er und sein Chef, Ministerpräsident Stoiber, angefeindet. Zu teuer, sinnlos, Prestigeprojekt – den Einwänden der rückwärtsgewandten Kleinkrämer und Öko-Fundamentalisten setzten Erwin und Edmund den visionären Schwung großer Staatenlenker entgegen. Sie waren nämlich die Einzigen, die erkannten, was der gelbe Mann vorhatte: Die Pläne Chinas, ein Konkurrenzmodell zum deutschen Transrapid zu bauen, stießen bei Bayerns Hightech-Pionieren selbstverständlich nicht auf Gegenliebe. „Was da in China läuft, riecht schon sehr nach Technologie-Klau“, sagt Stoiber. Er fordert nun den beschleunigten Bau einer ersten deutschen Transrapid-Strecke im Raum München. Und damit nicht erst im Jahr 2010 oder 2012 anzufangen, sondern sofort.
„Ich schlage deshalb ein Spitzengespräch zwischen Bundesregierung, Deutscher Bahn, Transrapid-Konsortium und dem Freistaat Bayern vor, damit wir die richtige Antwort Deutschlands auf die chinesische Herausforderung geben.“ Doch angesichts des erbitterten Widerstands des rot-grünen Münchner Stadtrates und anhaltender Finanzierungsprobleme einigte sich der Freistaat, eine so genannte „kleine Lösung“ durchzupeitschen.
Dass die Streckenführung leicht modifiziert werden musste und jetzt nicht vom Hauptbahnhof zum Flughafen, sondern vom Maximilianeum, dem bayerischen Landtag, über die Staatskanzlei am Hofgarten zur CSU-Zentrale in der Lazarettstraße verläuft, weiß Commander Hu inzwischen als Meisterstück bayerischer Verkehrspolitik zu verkaufen. Die Fahrzeit zwischen Landtag und Regierungssitz verkürzt sich so auf sagenhafte 16 Nanosekunden. Ein Zeitvorteil, der die Performance der bayerischen Regierung auf absehbare Zeit uneinholbar macht. Huber dazu: „Wenn anderswo Regierungsmitglieder im Stau stecken, können wir hier in München durchregieren.“
Eine andere Modifikation macht da dem Superlativ-versessenen Minister mehr zu schaffen: Gebaut wird aus Geldmangel jetzt nämlich nicht der Original-Transrapid, sondern die innerstädtische Schmalspur- Schwebestraßenbahn Tramrapid. Aber vielleicht wird ja auch die ein Exportschlager.
RÜDIGER KIND