: Teilrückzug von Herd und Putzeimer
Die moderne Frau steckt fünf Stunden weniger pro Woche in Küchen- und Putzarbeit – sie chauffiert eher die Kinder zum Ballett. Zeitbudgetstudien zeigen: Sogar beim Mann ändert sich etwas. Er leistet vier Minuten am Tag mehr Hausarbeit als 1992
VON COSIMA SCHMITT
Sie steht seltener an Herd und Spülbecken. Auch schätzt sie Tiefkühlware oder den Imbiss an der Ecke. Die Frau von heute schuftet rund fünf Stunden weniger pro Woche im eigenen Heim, als es noch Anfang der Neunziger üblich war. „Vor allem stehen die Frauen heute nicht mehr stundenlang in der Küche“, sagt Peter Döge vom Institut für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung in Berlin.
Der Politologe hat für ein neues Buch die Zeitbudgetanalysen des Statistischen Bundesamts verglichen und dies durch weitere Studien ergänzt. Demnach ist nicht nur die Hausfrau, die ganze Vormittage lang Gemüse putzt und Kuchenteig knetet, ein Auslaufmodell. Auch die „Schmutzstandards“ seien gesunken, sagt Döge. Es wird von einer Frau nicht mehr erwartet, dass sie saugt und schrubbt, bis ihre Familie auch vom Boden essen könnte. Vor allem aber werde von ihr nicht mehr verlangt, ständig am Bügelbrett zu stehen, sagt Böge: „Das gebügelte Hemd ist nicht mehr die Visitenkarte der Hausfrau. Es ist heute gesellschaftlich akzeptiert, auch mal ein knittriges Shirt anzuziehen.“
Die von Döge ausgewerteten Daten entkräften auch eine gängige Kritik an berufstätigen Müttern: Verbringt eine Frau weniger Zeit mit Familienarbeit, geht das nicht zu Lasten der Kinder. Denn die Analyse ergibt zwar, dass sich Frauen im Vergleich von 1992 und 2002 – neuere Zahlen liegen nicht vor – eine Stunde pro Woche weniger dem Nachwuchs widmen. Gleichzeitig verbringen aber Männer eine Stunde mehr mit dem Kind. Die Fürsorge fürs Kind nimmt offenbar nicht ab, sondern wird lediglich zwischen den Eltern umverteilt. Wenn Frauen weniger im Haushalt arbeiten, leidet also nicht das Kind, sondern allenfalls der Fußboden.
Dieser Teilrückzug von Herd und Putzeimer lässt sich nicht allein damit begründen, dass heute mehr Frauen als früher berufstätig sind. Denn der Gesamtumfang weiblicher Erwerbsarbeit hat sich nicht grundlegend verändert. Es gibt zwar mehr Frauen, die berufstätig sind, aber auch mehr, die das nur als Teilzeitstelle oder Minijob tun. Die Studie lässt sich somit eher lesen als Hinweis auf veränderte Prioritäten: Immer mehr Frauen finden finden wichtigere Lebensinhalte als die Schaffung eines Heims, indem es auch unterm Sofa flusenfrei ist.
Nicht genau zu beziffern ist, welchen Einfluss die Technisierung des Alltagslebens auf die veränderten Daten hat. Zwar haben laut Döge heute etwa ein Drittel mehr Haushalte einen Geschirrspüler als noch in den frühen Neunzigern. Aus älteren Studien weiß man jedoch, dass sich die Arbeitslast der Frau mit dem Eintreffen von Waschmaschine und Co nicht automatisch verringert hat. Ihr Tun verlagerte sich oft lediglich auf andere Bereiche. So werden Kinder häufiger von der Mutter zur Schule, zum Ballett oder zur Klavierstunde chauffiert.
Und der Mann? Sein Leben hat sich, so zeigen es die Daten, weniger stark gewandelt als das der Frau. Ob man es als Durchbruch des „neuen Mannes“ werten mag, dass sich Männer vier Minuten mehr am Tag mit Hausarbeit und 9 Minuten mehr mit ihrem Kind befassen, ist Ansichtssache.
Die Studie verweist zumindest auf einen Wandel in Kleinstschritten. So gibt es kaum noch Männer, die sich gar nicht am Kochen, Putzen oder Erziehen beteiligen. Aber nach wie vor verbringt Sie etwa 40 Minuten mehr am Tag mit dem Kind als Er. Zudem gibt es eine Männergruppe, die sich nach wie vor gerne von Putzeimer und Spülbürste fern hält: Jugendliche und junge Männer widmen dem Haushalt deutlich weniger Zeit als ihre Altersgenossinnen. „In den Familien ist es offenbar nach wie vor üblich, dass Mädchen viel mehr als Jungs mithelfen“, sagt Döge.
Auch ein WG-Zimmer motiviert Männer offenbar kaum, die Einstellung zu Staub und Drecksgeschirr zu überdenken. Erst etwa ab 25 Jahren ändert sich das Bild. „Sobald ein Mann mit einer Partnerin zusammenlebt und eine Familie gründet, tut er auch was im Haushalt“, sagt der Berliner Forscher.
Überhaupt entdeckt Döge vielerorts Zeichen des Wandels – so klein er auch sein mag. So greifen Frauen jetzt häufiger als zuvor zu Hammer, Säge oder Bohrmaschine, während Männer öfter die lieben Kleinen hüten. Gerade am Sonntag, wenn er nicht ins Büro muss, ist der Mann mehr als zuvor zum Spielen und Toben bereit. Die alten Rollenmuster seien nicht aufgehoben, sagt Peter Döge – aber weniger mächtig als zuvor.