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Archiv-Artikel

Rheinländer! Aus! Sense! Vorbei!

Noch ein Volksstamm, der dringend aus der Bundesrepublik ausgebürgert werden muss

Gemeinsames Lärmen und Anbrüllen sind die rheinischen Kommunikationsformen

RTL-Praktikantinnen gründen vor laufenden Kameras monodisziplinäre Du-und-ich-AGs mit genitalpanischen Leiharbeitern, bis kein Stein unter dem anderen bleibt. Was nordrhein-westfälische Parteien tun, wird ungeniert Politik genannt. Eine wunderschöne, riesig-versteinerte Spinnwebe wird als „Kölner Dom“ beschimpft. Ungeniert wird Alice Schwarzer für eine Frau und was sie tagein, tagaus herumorgelt für Emanzipation gehalten. Gemeinsames Lärmen und Anbrüllen heißen die Kommunikationsformen. Exakt, wir befinden uns im Rheinland. Und die erschütternde Faktenlage verdeutlicht, das Rheinland wäre an sich erträglich, würde es nicht widerrechtlich vom Rheinländer, nun ja, bewohnt.

Es muss am Klima liegen. Schuld ist offensichtlich der Rhein, der die Topografie regelmäßig mit feinsten Hochwassern und mit dauerhaft feuchtem Klima beschenkt. Feucht, nass, schlüpfrig, versoffen, faulig heißen die Epitheta für die Schreckensvisionen, die jedes Brainstorming zum Thema Rheinland vereitern. Immerhin gibt der Rhein seinen Ufern Halt. Alles andere unter seinem Einfluss hat die Haltlosigkeit sublimiert.

In Bonn gewährte der Rheinländer 40 Jahre lang einer extremistischen Vereinigung Unterschlupf (Bonner Ultras). Er kann sich nicht richtig freuen, aber er hat seinen Karneval, eine Art humanitären Einsatz gegen Abweichler und Schläfer in den eigenen Reihen. Am Rosenmontag belegen seine Präventivschläge gegen das uns geläufige Gemeinwesen 100 Prozent der Sendezeit des WDR. Die Kommunen werden mit Konfettikanonen und Schweinshaxen sturmreif geschossen, und dann wird fröhlich marodiert. Es herrscht kein Kostümzwang, weil selbst die skrupellosesten Sonnenbänke vor dem rheinischen Wasserleichenteint kapitulieren. Privatradiomoderatoren führen durch das „närrische“ Pogrom. Für Ausländer und Bundesbürger mit Schulabschluss werden die Gags mit „Tätää-tätää-tätää“ angekündigt. Überall wüten Stimmung und Dekomposition.

Das bundesdeutsche Nationalgetränk Bier und seine inneren Zusammenhänge sind dem Rheinländer trotzdem unbekannt, deswegen behilft er sich mit Surrogaten. Alles, was ein Bier nicht braucht, haben Kölsch und Altbier im Übermaß: jauchige Säure, verbrannte Aromen, Schaumperlen so groß wie Claudia Cardinales Sonnenbrillengläser, prähistorische Hopfenauszüge, der Alkohol eine toxische Fünfminutenterrine aus Gärungsnebenprodukten und Kölnisch Wasser. Bewundernswert ist allein die Anpassungsleistung der rheinländischen Population, deren einziger Daseinszweck es zu sein scheint, der ganzen nichtrheinischen Welt zu beweisen, diese liquiden Appetitnachzügler seien kein Gift.

Ältere Mitbürger und Zugezogene lenken sich von der Ungenießbarkeit rheinischer Getränke mit rheinischem Sauerbraten ab, der einen grob fahrlässig mit Rosinen beklebten Kuhfleischfladen meint und babydurchfallbraun vergoren wird, bis die Fleischfasern endlich ihren Widerstand aufgeben und freiwillig zerfallen. Es wird aber auch die umgekehrte Variante kolportiert: dass man den menschlichen Magen-Darm-Trakt nur mit Kölsch oder Altbier bestechen kann, den rheinischen Sauerbraten nicht auf der Stelle wieder retour zu schicken. Wer gegen BSE-Kuh allergisch ist, verdrückt Rübenkraut, Currywurst, Sülze, Haxe, Augenwurst und dicke Bohnen mit Röggelchen, eine Teigware mit lebendig eingebackenen Roggenkörnern, die beim Reinbeißen erbärmlich jammern.

Derart gestärkt, schickt sich der Rheinländer jeden Tag aufs Neue an, das Leben richtiger Menschen zu stören, indem er sie mit Privatfernsehsendern beschallt. Offiziell lautet die Begründung dafür rheinischer Frohsinn, wahlweise rheinischer Kapitalismus. Schon seit jeher galt das Nachmittagsprogramm des WDR als Unzucht mit Abhängigen, ideal für jede Menge Affektlabilität und reflektorische Herzstillstände. Und in vielen Haushalten wurde renitenten Kindern vor dem Einschlafen mit Fritz Pleitgen gedroht.

Nicht zuletzt ist der Rheinländer genuin expansiv disponiert. Seine Bonner Ultras und Sat.1 sind schon nach Berlin umgezogen, die Popkomm dito. Und seine Lautsprecher Wolfgang Niedecken, Britta von Lojewski und Dieter Gorny sind nach wie vor auf freiem Fuß. Unverständlich, warum sich der Franzmann nicht auf eine Kriegserklärung verständigen kann? Einmarschieren. Ruhe machen da. Warum nicht? Denn dass unser aller Vergeltungsmaßnahmen bislang ruhen, interpretiert der Rheinländer womöglich als prinzipielles Einverständnis mit seiner Rheinkultur, ja unter Umständen sogar als Anerkennung. Vielleicht wird unser Zaudern auch als Schwäche ausgelegt. Wir sollten dringend etwas unternehmen. MICHAEL RUDOLF