: Maßgeschneidertes Handelsabkommen
Vielen Entwicklungsländern bleibt nach den gescheiterten WTO-Gesprächen der Zugang zu den Märkten der Industrieländer verwehrt. Bilaterale Abkommen könnten einen Ausweg bieten. Kambodscha profitiert davon
PHNOM PENH taz ■ Wenn der große Sprung nach vorne ausbleibt, können Trippelschritte weiterhelfen. Nach dem Scheitern der WTO-Gespräche werden bilaterale Handelsabkommen wichtiger. Sie haben in den letzten Jahren rasant zugelegt – von weltweit etwa 10 in den Achtzigerjahren auf heute über 200.
Zu den Gewinnern dieser Einzelvereinbarungen gehört Kambodscha. Die Textilindustrie des Landes profitiert seit den Neunzigerjahren von einem Sonderabkommen mit den USA. Das Handels- und Investment-Abkommen wurde erst vor wenigen Tagen erneuert. Weil Kambodscha soziale Arbeitsbedingungen für seine Näherinnen garantiert, wird es von den USA gegenüber Konkurrenten wie China und Indien sogar bevorzugt behandelt. Deren Textilexporte werden seit 1995 durch ein Abkommen der Welthandelsorganisation gebremst. Seitdem dürfen China und Indien festgelegte Exportquoten in die Industrieländer nicht überschreiten. Die Quoten sollen die asiatischen Textilriesen daran hindern, westliche Märkte mit billigen Produkten unter ihre Kontrolle zu bringen.
Weil Kambodscha bei Inkrafttreten des WTO-Abkommens nur über eine kleine Textilindustrie verfügte, war es von den Quoten nicht betroffen. So konnte dieser einzig nennenswerte Industriesektor des Landes unverdrossen wachsen – so schnell, dass die USA sich 1999 genötigt sahen, ein bilaterales Sonderabkommen mit dem dann boomenden Textilproduzenten Kambodscha auszuhandeln. Das Land war der lachende Dritte der WTO-Regulierungsbemühungen.
Der Zugang zum US-Markt war für Kambodscha der Schlüssel für weiteres Wachstum. Heute ist Bekleidung das wichtigste Exportgut des Landes mit knapp 14 Millionen Einwohnern. Er bildet 80 Prozent der Ausfuhren und ist für 12 Prozent der Wirtschaftsleistung verantwortlich.
Hauptabnehmer für Kambodschas Textilien sind bis heute die USA: 71 Prozent der in Kambodscha genähten Hemden und Hosen werden dorthin exportiert, 22 Prozent gehen in die Europäische Union. Deutschland ist für Kambodscha nach den USA der zweitwichtigste Absatzmarkt – die Deutschen kauften 2005 Schuhe und Bekleidung für 264 Millionen US-Dollar aus Kambodscha. Die Exporte haben im vergangenen Jahr laut International Labour Organization um fast 10 Prozent auf 2,175 Milliarden US-Dollar zugelegt. 28 Fabriken und 30.000 zusätzliche Jobs sind seit Anfang 2005 entstanden. Insgesamt arbeiten dort 300.000 Menschen in der Textilindustrie.
Ros Harvey, Leiterin des Programms „Better Factories Cambodia“, beschreibt die Arbeitsverhältnisse als „nicht perfekt, aber recht gut“. Überstunden würden in der Regel bezahlt, Zwangsarbeit komme so gut wie nicht vor, unter 18-Jährige treffe man in den wenigsten Fabriken an. Der gesetzliche Mindestlohn liegt bei 45 Dollar im Monat. Die Regelarbeitszeit liegt bei 8 Stunden am Tag und 6 Tagen in der Woche. Häufig arbeiten die Näherinnen freiwillig mehr, denn das bringt mehr Geld.
Der Boom könnte bis Ende 2007 anhalten. Spätestens dann soll der Markt liberalisiert werden – und alle Importgrenzen im Textilhandel müssen laut WTO-Vereinbarung fallen. Bis dahin will Kambodscha, dessen Bruttoinlandsprodukt 2005 um satte 13,1 Prozent auf 6,1 Milliarden Dollar gestiegen ist, seine Position auf dem globalen Markt weiter festigen. KATJA DOMBROWSKI