ARNO FRANK ÜBER GERÄUSCHE WILLKOMMEN ZUR WELTMEISTERSCHAFT IM BARFUSS-WASSERSKI, VOM 2. BIS ZUM 15. AUGUST IN BERLIN! : Von dort geht’s direkt ins Hauptquartier, Brotkasten
Montag Martin Reichert Landmänner
Dienstag K.-P. Klingelschmitt Älter werden
Mittwoch Natalie Tenberg Habseligkeiten
Donnerstag Josef Winkler Wortklauberei
Freitag David Denk Fernsehen
Mit der Flugangst geht jeder, der sie empfindet, auf seine eigene Weise um. Ich für meinen Teil versuche, mich vor dem Start kontemplativ in einen Zustand des stoischen Fatalismus zu versetzen, mich also mental in den Umstand zu fügen, dass ich jetzt gleich abstürzen werde. Zu diesen Einübungen ins Abnippeln gehört, gleich nach Anlegen des Gurts meinen Sitznachbarn zu mustern und mir dabei zu denken: Aha, neben diesem Typen werde ich also sterben.
Diesmal saß neben mir ein braun gebrannter US-Amerikaner mittleren Alters, mit blonder, geradezu dschungelartiger Körperbehaarung und einem Brotkasten von Kinn, ebenfalls blond bestoppelt. Wir nickten uns nur am Anfang kurz zu und wechselten in den folgenden acht Stunden kein Wort. Er wirkte wie dieser unscheinbare Typ, der in Katastrophenfilmen über sich hinauswächst, das Kommando übernimmt und auf seinen muskulösen Armen hilflose Typen wie mich aus rauchenden Trümmern trägt – nachdem er zuvor freilich alle Frauen und Kinder gerettet hat.
Schon bald aber zog sich mein Held eine Augenklappe über, bettete sein Haupt in eine Nackenstütze, legte die kräftigen Hände auf die Knie und schlief in dieser aufrechten Haltung so lange und regungslos wie ein Pharaoh. Ich vertrieb mir unterdessen die wenige Zeit, die mir noch bleiben sollte, mit einem meinen Nerven nicht eben zuträglichen Polit-Thriller aus dem Bordprogramm, in dem es von Killern, CIA-Agenten, Doppelagenten und killenden CIA-Doppelagenten nur so wimmelte. Als der Film vorbei und das Flugzeug noch immer nicht brennend in den Atlantik gestürzt war, richtete sich meine Paranoia auf meinen Sitznachbarn. Das verstörende Wappen auf seinem Rucksack, so viel konnte ich erspähen, zeigte die US-Flagge, auf der, albern stilisiert, zwei nackte Füße standen. Plötzlich beugte sich ein massiger Typ über mich drüber, um meinem Nachbarn auf Englisch zuzuflüstern: „In Berlin holt uns ein Wagen ab. Von dort gehts direkt ins Hauptquartier. Übermorgen ist es so weit. Ich zähle auf dich. Wir alle zählen auf dich.“ Dann trollte sich der Dicke wieder, und mein Nachbar nickte. Langsam, ohne die Maske abzunehmen. Wovon lebte der Mann? Gehörte er einer CIA-Spezialeinheit an, die ihren Gegnern in dreckigen Kerkern mit nackten Füßen Unaussprechliches antat? Wusste ich jetzt zu viel? Würde er auch mich mit seinen muskulösen Quanten … was auch immer? Kurz vor der Landung dann eine erlösende Stimme aus den Lautsprechern: „Meine Damen und Herren, heute hatten wir die Ehre, die amerikanische Barfuß-Wasserski-Nationalmannschaft an Bord zu haben. Darunter auch den amtierenden Weltmeister!“
Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Irgendwo im Flugzeug applaudierten die Leute. Der Typ neben mir lächelte unter seiner Maske.
Text: „They say the left side of the brain dominates the right. And the right side has to labor through the long and speechless night.“ (Paul Simon)
Musik: Das grollende Gerumpel, wenn sich nach dem Start das Fahrwerk in den Flugzeugbauch einfaltet.