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Archiv-Artikel

schurians runde welten Walk like Zwetschge

„Es geht noch schneller. Noch viel schneller.“ (Mirko Slomka)

Damals wollte ich sein wie Clint, nicht Klinsi. Trug schwarze enge Hosen, Westen, Sacko und Cowboystiefel. Genau genommen hatte ich welche aus Amsterdam und hellem Wildleder, die gut zu meiner Spaghettiwestern-Garderobe passten, wäre nicht der dunkelbraune Gummizug gewesen, der die Schuhe als Stiefeletten entlarvte. Natürlich versuchte ich den Stilbruch mit aufgetrennten Hosenbeinen zu kaschieren und einem ganz speziellen Gang.

Mit der Überwindung des Kriechzeitalters ist es bei uns Menschenkindern ja noch längst nicht getan: Ich habe schon verschiedenste Gehstile ausprobiert, seit der Pubertät an einer angemessenen Fortbewegungsweise gefeilt. In den peinlichen Stiefeletten waren das überlange Schritte, bis sich die Leiste meldete. Wie ein Kopfgeldjäger oder ein bedröhnter Freak Brother wollte ich umher schreiten. In der sich daran anschließenden Nachgeweißten-Turnschuh-Phase tigerte ich leichtfüßiger, latinoartiger durch die Gegend. Später und schwerer wurde ein bodenständiges, fußballerisches, muskelverkatertes Schwanken daraus. Weil aber auch meine Gelenke immer wieder umlernen mussten, bin ich heute vorsichtiger geworden und vor allem froh, wenn es beim Auftreten nicht zu weh tut. Außer auf dem Sportplatz.

Wie es in Frankreich kaum noch einen Knaben zu geben scheint, der sich nicht wie Zinedine Zidane den Kopf rasiert hat, schaue auch ich mir bei professionellen Fußballern etwas ab – ihren Grundlaufstil. Erst kopierte ich den von Ex-Nationalspieler Slawomir Freier, der wie auf Schienen zu gleiten scheint mit seinen kurzen, ökonomischen Schritten. Neuerdings glaube ich, dass es der Bochumer Mittelfeldler Zvjezdan Misimovic ist, von dem mein Bewegungsapparat ein Fußballmimikri angelegt hat.

Zwetschge Misimovic gibt auch in Bundesligastadien immer noch den Vorortmünchner Bolzplatzkicker: Bleibt gerne mal stehen, wechselt fahrig die Richtung, setzt nur halbherzig nach. Weil der VfL-Spieler zwar etwas langsamer ist, aber über außergewöhnliche Technik und Passspiel verfügt, ist er trotzdem ein schönes Vorbild für mich und meine Beine. Und auch für die Kaffeemaschine im Presseraum des Bochumer Bundesligisten.

Aus der kommt wohl der beste Stadionkaffee Deutschlands, mit einer blöden Nebenwirkung: Es ist auch die langsamste. Während man also vor dem Gerät wartet, erscheint dazu eine Leuchtanzeige, die aussieht wie ein Downloadbalken. Am Ruhrstadion-Automat füllt sich die Skala jedoch nicht nur einmal und auch beim zweiten Mal ist die Tasse nur halb voll. Ich habe die Maschine Misimovic getauft. CHRISTOPH SCHURIAN

Fotohinweis: CHRISTOPH SCHURIAN, 39, ist Redaktionsleiter der taz nrw und gegen Ballbesitz. Kaffee trinkt er am liebsten schwarz