: „Das ist wahre Demokratie“
Wie das Volksbegehren versucht, 50.000 Stimmen zu sammeln – und dabei an Parlamentspräsident Weber scheitert
Zielstrebig radelt die Frau auf den kleinen Stand vor dem Dom zu, mit dem der Verein „Mehr Demokratie“ für sein Volksbegehren um ein neues Wahlrecht wirbt. Marten Bruns muss ihr nur noch den Stift geben und die Unterschriftenliste, sie weiß genau, was sie will. Unterschreiben und zwar sofort. „Neulich wollte ich es schon machen, aber da waren Sie nicht hier“, sagt sie, schreibt Namen, Anschrift und Geburtsdatum auf und steigt auf’s Rad.
So wie sie würden viele gezielt die Stände aufsuchen, erzählt Bruns, der für den Verein als Praktikant arbeitet. Von 11 bis 14 Uhr hat er am Dienstag Unterschriften gesammelt – um die 80 an der Zahl – dann kam die Ablösung. „Irgendwann wird es schon langweilig“, sagt der 34-Jährige, der dennoch mit gleich bleibender Begeisterung die Vorzüge eines anderen Wahlrechts erklärt. „Sie bekommen mehr Einfluss darauf, wer Sie im Parlament vertritt“, sagt er, der selbst gar nicht unterschreiben darf, weil er in Niedersachsen wohnt. Dort gibt es das schon in ähnlicher Form, was „Mehr Demokratie“ in Bremen einführen will: WählerInnen sollen statt einem fünf Kreuzchen machen dürfen. Das heißt, sie können sie auf mehrere Kandidaten, auch verschiedener Parteien, verteilen – oder alle einem oder einer geben.
„Dann entscheidet nicht mehr der CDU-Vorsitzende darüber, wer über einen guten Listenplatz in die Bürgerschaft einziehen darf, sondern Sie“, sagt die Grüne Silvia Schön, die Ablösung. Mitglieder ihrer Partei stehen täglich mit an den Ständen. Hat sie keine Angst davor, dass sie auf diesem Weg leer ausgehen könnte? „Nö, erstens habe ich noch einen Job, der mir Spaß macht und zweitens bestimmt bei uns Grünen ja ohnehin die Basis über die Listenplätze.“ Außerdem hatten die Grünen bereits versucht, die Wahlrechtsreform im Parlament durchzusetzen – und scheiterte an der großen Koalition. Die SPD hatte sich das Thema zwischenzeitlich zwar auf die Fahnen geschrieben, machte dann aber einen Rückzieher, weil die CDU nicht mitspielte. „Ich bin mal gespannt, ob SPD-Abgeordnete unterschreiben“, sagt Bruns.
Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD) jedenfalls lacht laut auf, als er auf seinen Besuch am Domshof-Stand angesprochen wird. Ob er unterschrieben habe? „Natürlich nicht. Man kann doch nicht alles, was man in seinem Herzen trägt, auch nach außen tragen“, sagt Weber. Also unterstützt er das Anliegen ideell? „Das ist nicht zu kommentieren.“ Er sei als „interessierter Bürger“ stehen geblieben.
Dann werden ihm Bruns und seine Mitstreiter auch gesagt haben, dass seine Unterschrift nur bedeutet, dass er das Volksbegehren unterstützt. 48.175 BremerInnen – zehn Prozent der Bevölkerung – müssen bis zum 18. Oktober unterschrieben haben. Dann würde über das Wahlrecht abgestimmt. „Sie können dann immer noch mit ‚nein‘ stimmen“, sagt Bruns und strahlt. „Das ist wahre Demokratie.“ eib