: Kalter Vollzug im Flüchtlingscamp
Asylsuchende werden entgegen Versprechen aus dem umstrittenen Lager in Bramsche verlegt. Flüchtlingsorganisationen vermuten, die Einrichtung solle aus den Schlagzeilen gebracht werden
„Ich bin doch kein Paket“, sagte Michael Y., als er die Ankündigung erhielt, dass er binnen 48 Stunden vom Flüchtlingslager in Bramsche-Hesepe nach Oldenburg „umverteilt“ werden sollte. Der Palästinenser, der zurzeit mit Duldung in Deutschland lebt, empfand die Maßnahme als Willkür: Er stieg auf einen Turm und drohte, sich in die Tiefe zu stürzen. Der 31-Jährige verließ den Turm erst, als ihm schriftlich zugesichert worden war, die Umverteilung werde ausgesetzt.
Was danach passierte, interpretiert Olaf Bernau vom „No-Lager-Netzwerk“ als „handfesten Skandal“: Nach einer Nacht in der Psychiatrie in Osnabrück, in die Y. wegen seiner Selbstmordandrohung gebracht worden war, wurde er gestern früh in Handschellen ins Lager nach Oldenburg gebracht. Bernau: „Dieser Wortbruch ist eine Warnung an alle Flüchtlinge: Wir können mit Euch machen, was wir wollen.“
Die Verlegung von Y. sei ein weiterer Versuch, das umstrittene Lager in Bramsche aus den Schlagzeilen zu bringen, sagt Bernau. Vor kurzem seien weitere „Querulanten“ aus Bramsche ins Wendland verlegt worden, ein weiterer kritischer Asylsuchender habe am Mittwoch die Ankündigung erhalten, dass er nach Braunschweig verlegt werden solle. Wie Y. hatte auch er gegen die Bedingungen in Bramsche protestiert: Im Lager sei das Essen ungenießbar, die 500 Flüchtlinge seien in viel zu kleinen Zimmern untergebracht, die medizinische Versorgung unzureichend. Zudem würden die Flüchtlinge mit Repressalien zur Ausreise gezwungen, von einer „freiwilligen Rückkehr“ könne keine Rede sein. Zuletzt hatte Michael Y. bei einem Besuch von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) im Mai das Lager in Bramsche mit „Guantánamo“ verglichen.
Ein Sprecher des Innenministeriums wies die Vorwürfe zurück. Die schriftliche Zusage sei „ein erzwungener Verwaltungsakt gewesen, um das Leben des Mannes zu retten“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. „Im Grunde hat der Mann die Behörden erpresst“. Y. drohte gestern, in den Hungerstreik zu treten, wenn er nicht wieder nach Bramsche verlegt werde.ksc