: Minister kann innehalten
Hardliner Uwe Schünemann findet vorübergehende Lösung für serbische Familie im Kirchenasyl: Der Christdemokrat schlägt neuen Asylantrag vor. Duldung bis zum Ende des Verfahrens. Druck kam zuletzt auch aus der eigenen Partei
von KAI SCHÖNEBERG
Der Druck in der eigenen Partei war zu groß. Der als Hardliner bekannte niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat in der Flüchtlingspolitik einen Rückzieher gemacht. Die serbische Familie, die sich seit Anfang vergangener Woche in Schünemanns Heimatstadt Holzminden im Kirchenasyl befindet, darf zunächst in Deutschland bleiben. Der dortige Landkreis hat „nach Prüfung durch das Innenministerium“ für das kleinste Kind der Familie, den knapp zweijährigen Anes, ein Asylverfahren in Gang gesetzt. Das war bisher von der fünfköpfigen Familie nicht beantragt worden.
„Zur Wahrung der Familieneinheit“ könnten die Ausländerbehörden für Kinder von Asylbewerbern ein neues Verfahren einleiten. Dies habe „der Landkreis Holzminden bisher übersehen“, erklärte Schünemann. Das Asylverfahren führt zunächst zu einer Aufenthaltsgestattung für Anes, seine Familie wird bis zum Abschluss des Verfahrens in etwa sechs Wochen geduldet. Bis dahin dürfte in Niedersachsen die Härtefallkommission eingerichtet sein. Ein Sprecher Schünemanns schloss gestern nicht aus, dass der Fall der Familie Fecovic dort behandelt werde. Wenn die Familie ihren Unterhalt sicherstelle, sei eine Aufenthaltserlaubnis möglich.
Am Mittwoch war die Polizei vor der St. Thomaskirche in Holzminden angerückt, um die Fecovics nach Serbien abzuschieben. Die Ausländerbehörde hatte die Tickets für den Flug nach Belgrad schon dabei. Pfarrer Heiko Limburg hatte den Muslimen, die seit 1994 in Deutschland leben und als besonders gut integriert gelten, Räume im Gemeindezentrum zur Verfügung gestellt. Das respektierten die Behörden und rückten ab. „Ich bin jeden Tag dort und rede mit ihnen“, sagt Limburg, gegen den bereits ein Strafverfahren wegen „Beihilfe zum Aufenthalt ohne Aufenthaltstitel“ läuft.
Schünemann war in den vergangenen Tagen immer stärker in die Bredouille gekommen: Die Grünen appellierten, bis zur Konstituierung der Härtefallkommission solle es keine weiteren Abschiebungen von Flüchtlingen geben. „Es muss für Schünemann möglich sein, die verbleibenden fünf Wochen innezuhalten und auf staatliche Maßnahmen zu verzichten“, so die Abgeordnete Filiz Polat.
Offenbar hat aber erst das Einwirken von Schünemanns Parteifreunden Eindruck gemacht: Landtagspräsident Jürgen Gansäuer hatte den Vorstoß von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble für eine großzügigere Bleiberechtsregelung für Flüchtlingsfamilien gelobt. Bis zur Sitzung der Innenminister im Herbst solle in Zweifelsfällen erst mal nicht aus Niedersachsen abgeschoben werden, so Gansäuer. Die FDP hatte den Vorschlag „begrüßt“. In einem Interview keilte Schünemann dann zurück: Schäubles Bleiberechtsregelung sei „das falsche Signal“. Einen Abschiebestopp für lange in Berlin lebende Ausländer hatte gestern indes auch der dortige SPD-Innensenator Ehrhardt Körting verkündet.
Selbst die CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag rückte gestern von Schünemanns Linie ab: Ausländer, die gut integriert sind und selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen, könnten ein Aufenthaltsrecht erhalten, sagte der Innenexperte Hans-Christian Biallas. Besonders Familien mit Kindern müssten geschützt werden. Dafür sollten Flüchtlinge auch leichter eine Arbeitserlaubnis erhalten.