: Wo Hopfen und Malz verloren ist
FANMEILE Trotz Infostand der Initiative gegen Rechts sind das 14. Internationale Bierfestival auf der Frankfurter Allee und sein Publikum gewöhnungsbedürftig
Der Anruf um die Mittagsstunde reißt mich aus meinem Schönheitsschlaf. Verabredungen verschlafen, so was kann schon mal vorkommen, aber nicht heute, wo wieder mal das Bierfestival auf der Frankfurter Allee stattfindet und ich mich schwer mit dem Kater vom Vorabend rausreden kann, wo ich doch zum Biertrinken verabredet bin.
Also im Taxi (zur Freude des Fahrers) Fischbrötchen frühstücken und kurz darauf mit immer noch sichtbaren Kopfkissenabdrücken im Gesicht über die 14. Biermeile schlendern. Jetzt heißt es aufmerksam sein, denn die Bekömmlichkeit des ersten Biers kann über den Verlauf des Tages entscheiden.
Ich wähle das „Agitatorenbier“, auf dem Etikett prangen Honecker und Castro. Die Flasche ist zügig geleert, und dennoch fühle ich mich nicht wohl zwischen Junggesellen, Kegelvereinen und Hooligangruppierungen, der Kopf schmerzt noch, und der Regen tut ein Übriges. Alles riecht nach nassem Hund, nur die Hunde nicht, die riechen bereits verwest. Von hinten spürt man den feuchten Atem der „Freunde des Bierglasmuseums Wahrburg“, englische Kampftrinker präsentieren ihre Hinterteile, und die „Oelsnitzer Blasmusikanten“ geben logischerweise die Blasmusikversion eines DJ-Ötzi-Klassikers zum Besten. Was tun?
Die Bierkrugsonnenbrille muss her, für läppische 5 Euro bin ich nun stolzer Besitzer eines überflüssigen Accessoires, das mich kurzzeitig in die bierselige Gemeinschaft integriert. Es gibt Dinge, die die Welt nicht braucht, und es gibt Veranstaltungen wie das Bierfestival. In diesem Fall denkt die Welt nicht mal darüber nach, ob sie diese Veranstaltung braucht oder nicht, sie erträgt sie auch nicht, sie lässt sie einfach vorbeirauschen. Ich tue es ihr gleich, auch das Honigbier ist schon wieder leer, ein auffallend hübsches Mädchen ruft: „Hier gibt’s Jogi Bier, das weckt den Jogi in dir!“ und ich bin dabei, na klar, ein „Jogi Bier“ bitte.
Leider entdecke ich erst später, dass es sich gar nicht um den deutschen Fussballnationaltrainer, sondern um die indische Bedeutung des Wortes handelt. Je später der Abend, desto freundlicher das Publikum, dieser Leitsatz gilt hier genauso wenig wie überall sonst. Allerdings hat der Veranstalter dieses Mal wenigstens so getan, als ob ihn das größtenteils rechtslastige Publikum stören würde, und zusammen mit der Initiative gegen Rechts einen Infostand aufgebaut sowie Flyer verteilen lassen.
Da stehen dann so tolle Fragen drauf wie: „Sie fragen sich: Was haben Sie damit zu tun, wenn rechte Schreihälse überall Ärger machen müssen?“, und beschreiben somit in Vollendung den Teil der Besucher, der nicht offen rechtsradikal ist. Die ältere Dame am Infostand hat ihre Aufgabe offenbar leicht fehlinterpretiert; auf die Nachfrage, ob es denn bereits besondere Vorkommnisse gegeben habe, antwortet sie lieber nicht, denn „sie kennt jeden bei der taz“, und mein Name sagt ihr leider gar nichts. Dementsprechend möchte sie auch nichts berichten, geschweige denn Informationen an die falschen Leute weitergeben, man weiß ja nie, der Feind hört mit. Todesmutig habe ich aus anderen Top-secret-Quellen erfahren, dass es wie jedes Jahr auch diesmal wieder zu Übergriffen auf Andersdenkende kam, doch wen wundert’s?
Inzwischen weiß ich, wie Cidre-Bier aus Afrika und Kreuzberger Klosterbier schmeckt, ich hab den „Bierkönig“ getroffen, die „Muffelhuffer Biergesellschaft“ kennengelernt und bin der ein oder anderen Gruppen aus dem Weg gegangen.
Mir reicht’s, hätte man mich doch lieber zur Hanfparade geschickt, da ist einem wenigstens alles egal. Am Frankfurter Tor öffne ich die Tür eines gerade ankommenden Taxis, drei Briten steigen aus, nicken dem vermeintlichen Bierfestivalpagen höflich zu und drücken mir 2 Euro in die Hand. Bloß weg hier. JURI STERNBURG