Der Theaterstapler

Gert Postel telefoniert wieder: Der Felix Krull unter Deutschlands Postangestellten will seine Lebensgeschichte von Leander Haußmann inszenieren lassen. Die „Frankfurter Rundschau“ hilft mit

von HENNING BLEYL

„Hier ist Moll vom Bremer Theater. Wir bringen Gert Postels ,Doktorspiele‘ als Theaterstück raus – in der Regie von Leander Haußmann! Ist das was für Sie?“ Klar doch! Alle Großen der Zeitgeschichte suchen irgendwann nach musischem Nachruhm. Und warum sollte nicht insbesondere der hochbegabte Hochstapler und Ärzteverarscher Postel seine Taten theatral gedoppelt sehen? Nur: Am Bremer Theater gibt es keinen Herrn Moll.

Wenigstens das Buch ist echt. Seit „Doktorspiele“ 2001 bei Eichborn erschien, hatte es fünf Auflagen, derzeit aber stagniert der Verkauf. Handelt es sich also um verdecktes Marketing? Oder braucht „Studio Braun“ neues Futter? Mehr Glück hat der Anrufer jedenfalls bei der Frankfurter Rundschau, wo man die Meldung vom Telefon weg in die Tasten haut. Postels Trick: Er ruft gern knapp vor Redaktionsschluss an, in forschem Chefton wird dann die Dringlichkeit der Angelegenheit verdeutlicht.

Bei der taz kommt die gönnerhafte Variante zum Einsatz: Haußmann wolle dem Blatt etwas Gutes tun, „Sie sollen es als erste haben und nicht die F.A.Z.“ Und wie sich das runtergesparte Bremer Theater eine Haußmann-Gage leisten soll? „Wenn Sie wollen, ruft er Sie selbst an.“ Was fünf Minuten später auch geschieht, allerdings in verdächtig ähnlicher Tonlage. Egal – die Rundschau genügt als Verteiler vollkommen, zumal Postel noch mal nachhilft. Als „Theatersprecher“ ruft er bei der Deutschen Presseagentur (dpa) an und bestätigt die Nachricht. Radio Bremen verbreitet sie ohnehin vor Ort, via dpa gelangt die Meldung auch in alle anderen Winkel der Republik – inklusive Schwarzwälder Bote und ZDF-Theaterkanal. Das spätere dpa-Dementi ist abermaliger Berichtsanlass.

Operation gelungen, Patient zufrieden? Postel, der seine Urheberschaft nachdrücklich bestreitet, freut sich über die „elegante Platzierung“ des Ansinnens bei Haußmann. Der habe bereits Interesse signalisiert, zumal sich die mediale Inszenierung prima als Prolog anböte. Motto: „Von der Ente zum Theaterstück.“ Gegenüber der taz bekundet Haußmann die Echtheit seines Interesses. Er sei zwar ein bisschen „überrollt“, aber das Hochstapler-Thema als „typisch deutsches Phänomen“ sei spannend: „Das sind eigentlich Volkshelden, die stellvertretend für uns Rache am Establishment üben.“ Zu klären sei freilich, ob sich Postel als Identifikationsfigur eigne. „Wie er seinen unbestreitbar großen IQ raushängen lässt, ist wahnsinnig großkotzig“, sagt Haußmann, „aber dadurch fast schon wieder sympathisch.“

Es wäre nicht das erste Mal, dass eine von Postel fiktiv vorausgenommene „Wahrheit“ Wirklichkeit wird. Mitte der Achtziger mobbte er eine junge Juristin mit ununterbrochenem Telefon- und Falschmeldungsterror. Die Frau erlitt einen Nervenzusammenbruch. Heute aber ist sie, was Postel mit einem Fake in der Neuen Juristischen Wochenschrift bereits verkündet hatte: die Generalstaatsanwältin von Bremen.