UNVERBREMT: HENNING BLEYL ÜBER SPRACHE IM ÖFFENTLICHEN RAUM
: Des Führers späte Rache

Bremens zärtlichster Imperativ ist an den Ampeln zu finden: „Berühre!“ Der sanfte Appell, sehr untypisch für die Familie der grammatikalischen Befehlsformen, richtet sich an Radfahrer: Per Knopfdruck können sie ihre Rotphase verkürzen. Und selbst das Ausrufezeichen am Ende mindert kaum die Anmut der Handlungsanweisung.

Die hiesige Verwaltung kann allerdings auch anders. Nach wie vor huldigt sie formalsprachlich dem Führerprinzip, das 1933 reichsweit Einzug ins Behördendeutsch hielt. Noch heute zieht vielerorts der Oberbürgermeister höchstselbst den Falschparker zur Rechenschaft oder untersagt das Betreten von Eisflächen – eine Erbschaft des NS-Staates. Der legte großen Wert darauf, die Legitimität allen amtlichen Handelns explizit auf den jeweils vor Ort vorhandenen „Führer“ zurückzuführen.

In Bremen führt das bei unbedarften Mitbürgern regelmäßig zu Enttäuschungen: etwa, wenn zu Beiratssitzungen „Herr X, Senator für Y“ erscheinen soll. Dass man Herrn X nicht wahrheitsgemäß als Referenten ankündigt, ist eine späte Rache des „Dritten Reichs“ an seinem naiven Volk.

Auch die BSAG zeigt sich nicht übertrieben sprachsensibel. Was sonst soll man davon halten, dass in Zeiten ständiger Berichte über Gewalt im öffentlichen Nahverkehr in den Straßenbahnen zu lesen ist: „Nachtlinien sind zuschlagpflichtig!“