: Reedereien im Rekordfieber
Hoher Ölpreis, weniger Tanker: Das lässt die Frachtpreise auf dem Meer explodieren. 70.000 Dollar Gewinn am Tag sind möglich. Doch das Risiko für die Umwelt wächst
STOCKHOLM taz ■ Die Unruhe um den Krieg im Nahen Osten haben nicht nur die Ölpreise steigen lassen. Auch die Preise für Tankfrachtraten sind regelrecht explodiert. Fast verdoppelt haben sich die Frachtraten innerhalb der letzten drei bis vier Wochen, berichten skandinavische Wirtschaftszeitungen.
Mit einem Supertanker, der etwa 280.000 Tonnen Öl vom Persischen Golf nach Japan oder Europa transportiert, lassen sich derzeit pro Tag rund 100.000 Dollar verdienen. Da die täglichen Kosten für Besatzungen, Abschreibungen und Schuldenamortisation sich bei solchen Schiffen auf weniger als 30.000 Dollar belaufen, fließt ein Reingewinn von 70.000 Dollar pro Tag in die Reedereikassen.
„Das Geld sprudelt nur so herein“, zitierte die Stockholmer Wirtschaftszeitung Dagens Industri Ulf Ryder, Chef der zum Stena-Konzern gehörenden Reederei Stena-Bulk. Bei einer Fahrtdauer zwischen 50 und 70 Tagen vom Persischen Golf bis beispielsweise nach Rotterdam kann dies einen Reinverdienst von 3 bis 4 Millionen Dollar bedeuten. Mit einer einzigen Fahrt kann eine Reederei also gleich den Bau eines neuen Supertankers finanzieren.
„Eigentlich müssten die hohen Rohölpreise ja abschreckend sein“, sagt Johan Dicksved, Marktanalytiker in der Schiffsmaklerbranche: „Aber offenbar wird mit weiter steigenden Preisen gerechnet.“ So werde jeder Frachtraum gechartert, den der Markt hergibt.
Ein anderer Grund für die explodierenden Preise ist die Verknappung des Schiffsangebot. Wegen verschärfter Sicherheitsbestimmungen wurden viele Tanker ausgemustert, die nur nur eine Bordwand haben. Je nach Größe und Zielhafen sollen einwandige Tanker weltweit zwischen 2010 und 2015 verschwunden sein. Neue doppelwandige Schiffe, die im Falle einer Havarie das Meer besser vor auslaufendem Öl schützen, wurden aber noch nicht in gleichem Maße nachbestellt.
Die hohe Nachfrage nach Frachtraum sorgt aber auch für neue Risiken. Selbst die schrottreifsten Rostlauben, die teilweise schon jahrelang beschäftigungslos vor Anker gelegen haben, werden wieder interessant für Fahrten unter Billigflaggen mit weniger strengen Kontrollen und in Zielhäfen mit lascheren Sicherheitsbestimmungen. Und mit solchen längst abgeschriebenen Pötten – wie zum Beispiel der 2002 vor der spanischen Küste auseinander gebrochenen 26 Jahre alten „Prestige“ – lassen sich derzeit die dicksten Gewinne machen. REINHARD WOLFF