„Wir sind eigentlich ready“

Die EU-Eingreiftruppe Eufor, an der auch die Bundswehr beteiligt ist, muss in Kinshasa vor allem gegen das Misstrauen der Kongolesen kämpfen

„Eure Regierung hat Europa um Hilfe gebeten“, erklärt Chefadjutant Goarant

AUS KINSHASADOMINIC JOHNSON

Den Eingang zur europäischen Militärbasis bewachen kongolesische Soldaten. Streng konfiszieren sie die Fahrzeugpapiere von Besuchern, bevor sie die Einfahrt in Kongos wichtigste Luftwaffenbasis Ndolo mitten in Kinshasa erlauben. Vorbei an parkenden Kampfhubschraubern geht es zu einer rot-weißen Schranke, an der gut gelaunte polnische Soldaten Wache schieben. Dahinter beginnt Europa. Hier residiert die Eufor, die Eingreiftruppe der Europäischen Union im Kongo.

Frankreichs Flagge weht hoch über dem Zeltlager dieser formell von Deutschland aus geführten Militäroperation, 17 Staaten sind beteiligt. Mittelgroße Flaggen Belgiens, Spaniens und Polens sind zu sehen, dann kommt, ganz klein, das Schwarz-Rot-Gelb der Führungsnation Deutschland, die 280 der 1.100 EU-Soldaten in Kinshasa stellt.

Die bisher größte EU-Militäraktion in Afrika operiert von einer bunten kleinen Zeltstadt aus. Der ganze Stolz der Bundeswehr hier ist die Krankenstation, in deren klimatisierten Zelten hochmoderne Geräte stehen, von denen Kongolesen nur träumen können. „Wir müssen natürlich nach deutschen Normen arbeiten“, erklärt Sprecher Mathias Huber stolz. Richtig krank ist noch keiner geworden.

Am Sonntag, dem Wahltag, soll die EU-Mission offiziell ihre Arbeit aufnehmen. „Wir sind eigentlich ready“, erklärt Bundeswehrsprecher Peter Fuß. In Aktion treten soll die Eufor nur, falls weder Kongos Polizei noch die UN-Blauhelmmission mit einer problematischen Situation fertig werden und Hilfe anfordern. Dafür stehen Franzosen und Spanier bereit und weitere Deutsche in Reserve in Gabun. Sonst macht die Truppe eigentlich nichts. „Hier fährt keiner Patrouille“, so Fuß. „Außenkontakte beschränken sich auf unsere Informationsarbeit. Wir wollen die Gerüchte nicht noch weiter nähren.“

Die „Gerüchte“ sind die immer wieder in Kinshasa zu hörende Mutmaßung, die EU-Truppe sei eigentlich hier, um Präsident Joseph Kabila zu schützen und seinen Wahlsieg mit Gewalt durchzusetzen. „Ihr kommt doch bloß, um uns einen Präsidenten aufzuzwingen, den wir nicht wollen“, hört man auf jeder Eufor-Fahrt durch die Stadt – mal fragend, mal vorwurfsvoll, mal aggressiv. Mehrfach wurden in dieser Woche Eufor-Fahrzeuge angegriffen.

Denn obwohl die Eufor offiziell nicht Patrouille fährt, verlassen jeden Tag EU-Militärkolonnen das Lager Ndolo und fahren durch die Stadt. Die Flaggen Frankreichs und Deutschlands wehen in Miniaturausgabe über den Fahrzeugen, die französische Trikolore oben. Es ist in Kinshasa allgemein bekannt, dass Frankreich zu den wichtigsten Unterstützern Kabilas gehört. Um die Eufor aus diesem Schatten herauszuholen, gibt es täglich Informationsveranstaltungen, auf denen das Team für taktische psychologische Operationen (Tactical PsyOps Team, TPT) den Bezirksbürgermeistern und lokalen Meinungsführern Kinshasas diese EU-Mission erklärt.

„Vor einigen Monaten hat eure Regierung Europa um Hilfe für den Wahlprozess gebeten, und Europa hat ja gesagt“, erklärt der französische Chefadjutant Hervé Goarant in Kinshasas aufsässigstem Armenviertel Masina den rund 180 versammelten notables. Sie sind die Würdenträger und kommunalen Amtsträger des Viertels nahe Kinshasas Flughafen mit seinen schätzungsweise 700.000 Einwohnern. „Wir haben keine Waffen, keine Kanonen, es ist nur ein Generalstab. Aber natürlich haben wir Aufklärungsmittel, Kampf- und Jagdflugzeuge“, sagt Goarant. Man sei nicht für einen Kandidaten bei den Wahlen, sondern für die Wahlen an sich. In Europa sei das Militär neutral. Die Kongolesen nicken beifällig.

Um seine Vertrauenswürdigkeit zu unterstreichen, grenzt Goarant die EU-Truppe deutlich von der Monuc, der UN-Mission im Kongo, ab, die hier ziemlich unbeliebt ist. „Monuc ist New York“, sagt der Franzose. „Wir sind nicht die UNO. Wir fahren nicht mit aufmontierten Maschinengewehren auf unseren Autos durch die Gegend.“

Nicht alle Teilnehmer zeigen sich hinterher überzeugt. „Europa war noch nie ehrlich mit uns“, klagt einer. Ein anderer meint: „Ihr seid Komplizen. Ihr habt der Regierung Geld gegeben und die Augen davor verschlossen, als es gestohlen wurde. Jetzt macht ihr wieder nichts.“

Auf der Rückfahrt nach Ndolo kriegt Chefadjutant Goarant Glassplitter ins Auge, zwei Eufor-Autoscheiben gehen zu Bruch. Denn die Fahrt führt mitten durch die bisher größte Oppositionskundgebung in Kinshasas Wahlkampf. „Verschwindet!“ ertönt in allen Variationen aus der dicht gedrängten Menge, sobald die Autokolonne ins Stocken gerät. Es ist für weiße Ausländer in Kinshasa paradoxerweise viel gefährlicher, mit der Eufor unterwegs zu sein als allein: Ohne militärische Begleitung oder Luxusausstattung provoziert man auch keine Feindseligkeit.

Als die Gewaltbereiten den Eufor-Fahrzeugen gefährlich nahe kommen, holt Bundeswehrfahrer Sebastian Körner schnell seine Pistole hervor und klemmt sie sich griffbereit unter den rechten Oberschenkel, kurz darauf fliegen auch in seinem Auto Splitter. Auf der Hinfahrt hat er noch erklärt, deutsche Soldaten würden in Kinshasa niemals Waffen tragen.

Eigentlich wäre Körner, der im Kongo seinen ersten Auslandseinsatz absolviert, lieber nach Afghanistan gegangen. „Da ist die Bevölkerung anders drauf“, seufzt der junge Soldat. „Hier wird man acht Stunden am Tag angemacht. Das nervt!“